Viele offene Fragen zu Söder-Ansage

von Redaktion

Weitere Reaktionen zur geplanten Sperre für Lkw – Betroffene sehen dennoch Probleme

Rosenheim – Eine Transit-Sperre für die Inntal-Gemeinden an Blockabfertigungstagen – das will nun auch Ministerpräsident Markus Söder. Die Bürgermeister in der Region begrüßen die Entscheidung. Dennoch gibt es weiterhin Probleme, eine dauerhafte Lösung ist der Vorstoß den Amtsinhabern zufolge nicht.

„Das Lkw-Durchfahrtsverbot ist eine enorme Verbesserung“, sagt der Brannenburger Bürgermeister Matthias Jokisch. Die Lastwagenfahrer hätten die Straßen blockiert, sodass Rettungswagen nicht mehr an ihnen vorbeifahren konnten. Auch Pflegedienste hätten Probleme gehabt, ihre Patienten zu erreichen. „Es ist fast ein Wunder, dass noch nichts passiert ist.“

Lebensqualität
der Bürger leidet

Die Sperre ändere die „Gesamtflut“ an Lastwagen jedoch nicht. Das Problem müsse auf Dauer gelöst werden: über den Schienenverkehr. Der Brenner-Nordzulauf solle an dieser Stelle helfen. „Wir können aber keine 25 Jahre warten, bis er fertig ist“, sagt Jokisch.

Der Oberaudorfer Bürgermeister Matthias Bernhardt schlägt ein „intelligentes Verkehrssystem“ nahe München vor, das die Lastwagen gleichmäßig auf die Transitachsen verteilt. Dennoch müsse der Verkehr auf die Schienen verlagert werden. Söders Entscheidung sei aber ein erster Schritt in die richtige Richtung – besonders für Oberaudorf.

Denn die Lastwagen könnten das Burgtor nicht passieren und wendeten deshalb immer wieder davor. „Das ist sehr gefährlich“, sagt Bernhardt. In den vergangenen Wochen habe er die Gemeindemitglieder „sehr betroffen“ erlebt. Ihre Lebensqualität leide unter der Blockabfertigung, wegen der hohen Geräuschbelastung und der massiven Bewegungsbeeinträchtigung. „Die Bürger können kaum mehr die Straße überqueren“, sagt Bernhardt. Deshalb brauche es eine politische Lösung zwischen Tirol und Bayern. Eine Transit-Sperre löse das Problem nicht nachhaltig.

Das bestätigt Kurt Margreiter, Nußdorfer Busunternehmer: „Den Pkw-Verkehr werden wir nicht los.“ Das sei jedoch bei Weitem nicht so schlimm wie Lastwagen, die ganze Orte blockieren. Es sei eine „freudige Mitteilung“, dass der Ministerpräsident nun unterstützt, was die Bürgermeister und Bewohner der Inntal-Gemeinden seit Monaten fordern.

„Ich bin sehr erleichtert, das verringert den großen Druck auf den Straßen. Es war höchste Zeit“, sagt auch Anton Wallner, Bad Feilnbacher Bürgermeister. Der Ausweichverkehr belaste die Bevölkerung. Viele Stellen seien zu eng für Lastwagen, die Fahrer müssten auf die Gehwege ausweichen. Die Autofahrer und Urlauber seien die Bürger gewohnt. Wallner zufolge sind zur Ferienzeit schon immer „Wohnmobil-Karawanen“ durch den Ort gerollt. Der Verkehr sei „leichter zu ertragen“, wenn Schwertransporter verbannt werden.

Busunternehmer Margreiter sieht das ähnlich: Wenn nur Autos fahren, sei der Verkehr „noch a bissl flüssig“. Die Schwertransporter steckten hingegen fest. Die Fahrer kämen teilweise nicht einmal zurück auf die Autobahn, da ihre Kollegen „die Vordrängler“ nicht einfädeln lassen.

Die Auswirkungen der Blockabfertigung reichen Oberbürgermeister Andreas März zufolge bis nach Rosenheim. Sie sorge nicht nur für Staus, Lärm- und Umweltverschmutzung, sondern führe regelmäßig zu Unfällen, die zum Teil schwer seien. „Von daher ist der Vorstoß des Ministerpräsidenten mehr als zu begrüßen“, sagt März. Der Schutz der Bevölkerung habe Vorrang.

Neben der Sofortmaßnahme verlangt der Rosenheimer Bürgermeister eine dauerhafte und langfristige Entlastung: „Es ist bedauerlich, dass die EU-Kommission bislang, allen Appellen und rechtlichen Einschätzungen zum Trotz, kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen Behinderung des freien Warenverkehrs eingeleitet hat.“

Die Regierung müsse eine multilaterale Lösung finden und den Lastwagenverkehr auf die Schiene verlagern. Dabei spiele die Erhöhung der Lkw-Maut auf der Brennerroute eine wesentliche Rolle. Nach Angaben von März belegen Studien, dass viele Lastwagenfahrer die längere Brennerroute wählen, weil die Maut günstiger ist. Dieser Anreiz müsse den Fahrern genommen werden.

Landrat Otto Lederer zufolge muss der Schwerlastverkehr über 7,5 Tonnen nun erst einmal auf der Autobahn gehalten werden. Die beste Lösung seien Schilder auf der Autobahn, damit Lastwagenfahrer sie nicht verlassen. Doch weder der Landkreis Rosenheim noch die Regierung von Oberbayern oder das Staatsministerium hätten rechtliche Handlungsmöglichkeiten. Die Autobahn GmbH des Bundes sei für die Beschilderung zuständig.

Polizei braucht
Rahmenbedingungen

„Wir arbeiten bereits an der Umsetzung“, sagt Katharina Holzapfel, Sprecherin der Autobahn GmbH für Südbayern. Mehr Informationen könne sie aktuell nicht preisgeben. Neben den Schildern soll die Polizei den überregionalen Schwerlastverkehr auf der Autobahn halten und deshalb kontrollieren. „Für Planungen ist es viel zu früh“, sagt Stefan Sonntag vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Die Regierung müsse zunächst die Rahmenbedingen festlegen, dann könne die Polizei die Pläne umsetzen.

Und wie reagiert Tirol? Landeshauptmann Günther Platter sieht in der Ankündigung Söders nach eigenen Angaben eine Bestätigung der „Tiroler Anti-Transitpolitik“. „Tirol unterbindet bereits – mit Ausnahme von Ziel- und Quellverkehr – die Durchfahrt durch besonders belastete Ortschaften und Gemeinden. Im Kampf gegen den überbordenden Güterverkehr auf der Straße hat Tirol also Erfahrung“, teilte Platter, der von einer „enormen Transitbelastung“ für Tiroler und bayerische Gemeinden spricht, mit. So lange es dafür keine Gesamtlösung auf europäischer Ebene gebe, will Platter nach eigenen Worten „an den Notmaßnahmen festhalten und Blockabfertigungen oder Fahrverbote keinesfalls lockern“.

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