Obinger Sextäter gesteht erst spät

von Redaktion

55-jähriges Opfer leidet bis heute – Polizei verhindert weitere Tat

Traunstein/Obing – Ein Polizeibeamter hat möglicherweise ein weiteres Sexualverbrechen verhindert, als er in Obing nachts einen Unbekannten entdeckte, der hinter einem Pärchen herschlich, und den 32-jährigen Rumänen vorläufig festnahm. Später stellte sich heraus: Der Mann war ein gesuchter Sextäter, der am 2. April 2022 ebenfalls in Obing eine inzwischen 55-Jährige brutal vergewaltigt hatte. Gestern legte der Bauhelfer vor der Siebten Strafkammer am Landgericht Traunstein nun auf dringliches Zureden der Vorsitzenden Richterin Christina Braune ein Geständnis ab.

Der Polizeioberkommissar schilderte, er habe während der laufenden Fahndungsaktion am 9. April 2022 den Gemeindebereich von Obing mit einem Kollegen abgefahren. An der Kreuzung zwischen Kienberger und Wasserburger Straße sei er vom Auto aus auf einen Mann aufmerksam geworden, der im Abstand von etwa 50 Metern offenbar minutenlang ein Pärchen mit fokussiertem Blick observierte. Auf dem Weg Richtung Poststraße habe er sich hinter Autos versteckt. Die Zivilbeamten stiegen aus und folgten dem Mann zu Fuß. Der Zeuge weiter: „Die Sache wurde uns schließlich zu heiß. Wir haben ihn an der Poststraße angesprochen und festgenommen.“

Vor dem ersten Zeugen hatte der Angeklagte gestern über seinen Verteidiger, Harald Baumgärtl aus Rosenheim, erklärt, er werde in der Hauptverhandlung gar nichts sagen. „Das wundert mich. Die Beweislage belastet Sie laut Akten massiv. Es wundert mich, dass Sie den einzigen strafmildernden Aspekt, ein Geständnis, vergeben“, sagte die Vorsitzende Richterin.

Festnahmesituation
mit filmreifen Zügen

Mit Freispruch sei sicher nicht zu rechnen. Für das Gericht sei nur maßgeblich, wie hoch die Strafe ausfallen werde. Ausschlaggebend sei unter anderem der Opferschutz, also die Frage, wie intensiv die 55-Jährige befragt werden müsse. Die Festnahmesituation „mit filmreifen Zügen“ sei ebenfalls zu berücksichtigen. Der Angeklagte habe ein „ein angeheitertes Paar“ verfolgt, das in Tanzschritten nach Hause unterwegs war. „Das legt nahe, dass er auf der Suche nach dem nächsten Opfer war und zeugt von seiner Gefährlichkeit. Ich denke, die Einsatzgruppe hat das nächste Verbrechen verhindert.“

Auf Anregung von Verteidiger Harald Baumgärtl traten an diesem Punkt der Hauptverhandlung das Gericht, Staatsanwältin Karin Hahn und Nebenklagevertreter Korbinian Ortner aus Traunstein zu einem Rechtsgespräch zur Höhe der Strafe im Fall eines Geständnisses zusammen. Im Ergebnis schlug die Kammer eine Freiheitsstrafe zwischen sieben Jahren zehn Monaten und acht Jahren vier Monaten vor. Das akzeptierten alle Beteiligten.

Daraufhin informierte der Verteidiger, sein Mandant habe an jenem Abend erheblich dem Alkohol zugesprochen sowie Drogen konsumiert. Überprüfen lasse sich dies allerdings nachträglich nicht mehr. Eine alkoholische Enthemmung sei anzunehmen, eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit werde aber nicht geltend gemacht. Die Vorwürfe der Anklageschrift seien „ohne Wenn und Aber vollumfänglich zutreffend“, so Baumgärtl. Die Tat habe eine gewisse Zeit gedauert. Fragen werde der 32-Jährige nicht beantworten.

Auf das 55-jährige Opfer hatte in der Tatnacht deren Freund gewartet. Irgendwann hörte er kurze Schreie. Er ging im Schlafanzug mit einem Messer in der Hand raus, sah aber lediglich ein Licht im Mühlbach. Wie sich bei den Ermittlungen herausstellte, hatte das Handy des Opfers unter Wasser geleuchtet. Der Zeuge rief damals beim Arbeitgeber seiner Freundin an und wartete weiter. Die 55-Jährige kehrte irgendwann nach Hause – „weinend, völlig verstört und verschmutzt“.

„Nichts mehr so,
wie es früher war“

Der Freund informierte über schwerste Folgen für seine Partnerin. Jeden Montag müsse sie psychologisch behandelt werden. Nach außen wirke sie gefasst. Innerlich aber sei sie bis heute aufgewühlt: „Wenn es finster ist, geht sie keinen Schritt mehr ohne Begleitung außer Haus. Die Türen werden abends verriegelt. Es ist nichts mehr so, wie es vorher war.“ Die Freundin könne nicht mehr arbeiten, könne nicht einmal fünf Minuten allein in einem Raum sein. Besonders schlimm für sie sei es, den Tatort vom Balkon ihrer Wohnung aus zu sehen. Das rufe immer wieder Erinnerungen wach.

Das 55-jährige Opfer erinnerte sich, dass sie in jener Nacht in Richtung Brücke gegangen sei und habe plötzlich etwas knacksen gehört habe. Dann sei alles über sie hereingebrochen – auch Schläge von allen Seiten. Sie habe laut um Hilfe geschrien und – vergeblich – gehofft, jemand würde sie hören. Ihr seien tausend Dinge durch den Kopf gegangen. Gegen den Angreifer habe sie „keine Chance gehabt“. Sie habe Todesangst empfunden.

Auch erinnerte sich das Opfer an die Drohung des Täters vor der Flucht: „No Police, Familie tot.“ Bis heute leide sie unter körperlichen Beschwerden und Schmerzen. Sie habe Ängste, Albträume und Schlafstörungen. Sie sei seit der Tat krankgeschrieben.

Zur Entschuldigung des Angeklagten, auftragsgemäß übermittelt vom Verteidiger, äußerte sich das Opfer nicht. Der Prozess geht am 23. Januar weiter.

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