Wasserburgs SPD-Bürgermeister Michael Kölbl konnte mit seiner Stimmabgabe das Debakel der SPD nicht verhindern. Foto Rieger
Rosenheim – Eine gewichtige Partei gab es, die in der Region Rosenheim ihr Ergebnis von 2018 fast exakt gehalten hat. Es ist die Partei der Nichtwähler. Ihr Anteil liegt 2023 ähnlich wie 2018 bei einem Viertel der Wahlberechtigten, was für Platz zwei hinter der CSU genügen würde.
Das ist eine nicht zu unterschätzende Zahl, einerseits. Auf der anderen Seite bedeutet dieses Resultat, dass fast drei Viertel der Wähler in der Region per Brief oder per Gang an die Wahlurne abgestimmt haben. Und das ist kein schlechtes Ergebnis, ähnlich wie das bei der Landtagswahl 2018, die wiederum das beste Ergebnis seit 1982 gezeitigt hatte. Das Interesse an der Politik ist also offenbar höher als beispielsweise 2008, als unter 60 Prozent zur Wahl gegangen waren.
Tuntenhausen erreicht die Wahl-Bestmarke
Wenn es nach der Wahlbeteiligung geht, sind die Menschen in der Region Rosenheim vieles, aber nicht politikmüde. Mit 72,8 Prozent liegt der Stimmkreis Rosenheim Ost knapp unterm bayerischen Schnitt, mit 74,5 Prozent im Stimmkreis Rosenheim West sogar deutlich darüber. Wahl-Sieger ist ein Wallfahrtsort: In Tuntenhausen gingen respektable 84,6 Prozent der Erwachsenen zur Wahl.
Ausreißer nach unten gab es auch: Bad Endorf beispielsweise, mit 72,2 Prozent. Die Stadt Rosenheim selbst fiel mit einer Beteiligung von nur rund zwei Dritteln wie schon 2018 aus dem Rahmen der Region. Und wenn die Menschen in der kreisfreien Stadt wählen, wählen sie auch anders als die Nachbarn.
Beispiel Freie Wähler: Vielerorts lag die Hubert-Aiwanger-Partei knapp unter oder sogar über der 20-Prozent-Marke. In Rosenheim selbst aber erreichte sie nur 11,9 Prozent. Stark dagegen die Grünen, die in der Stadt mit 19,1 Prozent den zweiten Platz hinter der CSU (33,9) erreichten.
Anders wählt traditionell auch Wasserburg. Man sieht sich gern als „bunte“ Stadt an, die Neigung zur AfD hielt sich sonst in Grenzen. Nicht bei der aktuellen Wahl mit vergleichsweise bescheidenen 66 Prozent Wahlbeteiligung: Die AfD feierte mit 12,7 Prozent nicht eben einen Triumph, aber ein beachtliches Ergebnis, das dem Bayern-Trend in etwa entspricht.
Mit 30 Prozent schnitt die CSU mäßig ab, mit 13 Prozent auch die Freien Wähler. Dafür durften sich die Grünen in Wasserburg über 20,8 Prozent freuen. Der Absturz der SPD dagegen vollzog sich auch in der rot geführten Innstadt: zehn Prozent hatte sie 2018 in Wasserburg geholt, nur noch 8,5 sind es aktuell. Zum Vergleich: Die Wasserburger Stadt-SPD mit Bürgermeister Michael Kölbl an der Spitze kam bei den Kommunalwahlen 2020 auf 24 Prozent. Zahlen, die an die Landes-SPD vor 25 Jahren denken lassen: 1998 hatten die Genossen in Bayern noch über 20 Prozent der Stimmen geholt. Wobei der Zahn der Zeit auch an der CSU nagt. 2003 holten die Christsozialen in beiden Rosenheimer Stimmkreisen sagenhafte 65,8 Prozent der Stimmen. Für die 30 Prozent Schwund seitdem dürften nicht zuletzt Freie Wähler und AfD verantwortlich sein.
In Vogtareuth
triumphieren die FW
In München liefern sich CSU und Freie Wähler aktuell ein zähes Ringen um Ministerposten. Es wäre wohl bereits zugunsten von Hubert Aiwanger und Co. entschieden, wenn es nur nach dem Ergebnis in Vogtareuth ginge. Dort holten die Freien Wähler in der Region Rosenheim mit 27,0 Prozent mit das beste Resultat, vor Riedering mit 25,5 Prozent.
In Aschau dagegen sammelte die CSU Argumente gegen ein weiteres Freie-Wähler-Ministerium. Denn dort kam die CSU auf 40 Prozent. Noch mehr dürfte sich die CSU über das Ergebnis von Eiselfing gefreut haben, obschon dort mit Georg Reinthaler ein Grüner im Rathaus das Sagen hat. Reinthalers Partei kam in Eiselfing aber nur auf zehn, die CSU dagegen auf 41,6 Prozent. Besser lief‘s für die Partei von Ministerpräsident Markus Söder nur in der Gemeinde Chiemsee (41,9) und Albaching (43,2).
Aufwärtstrend der
AfD auch in Region
Der Aufwärtstrend der AfD in Bayern lässt sich auch in der Region Rosenheim feststellen, wobei die Schwankungen groß ausfallen. Auf 12,8 Prozent kam die Partei im Stimmkreis Rosenheim Ost, auf 14,5 Prozent gar im Stimmkreis Rosenheim West. In Kolbermoor fiel das Ergebnis mit 18,2 Prozent auffällig gut aus, in Rimsting mit 9,0 Prozent dagegen bescheiden.
Kurioses fördert der Blick in einzelne Wahllokale zutage: Im Raum B203 des Sebastian-Finsterwalder-Gymnasiums in Rosenheim blieb der Anteil der AfD bei unter fünf Prozent, ebenso wie in der Gemeinde Chiemsee (4,7). Auf erstaunliche 29,5 Prozent dagegen kam die AfD ausgerechnet im Kindergarten „Villa Kunterbunt“ in Rosenheim.
Keine Aussicht auf den Einzug in den Landtag hatte die Bayernpartei mit unter zwei Prozent. Der große Ausreißer ereignete sich in Frasdorf: Dort wählten 7,1 Prozent der Wahlberechtigten die BP. Unauffällig schnitt eine andere Partei ab: Noch bei der Bundestagswahl hatte die „Basis“ in der Region Rosenheim für Aufsehen gesorgt. Diesmal verschwand die nach eigenen Angaben basisdemokratische Partei in der Versenkung. Kurz vor diesem Punkt steht die FDP, die bei der Landtagswahl 2023 in der Region Rosenheim bei drei Prozent herumdümpelt. Besonders arg erwischte es die Liberalen mit 1,3 Prozent in Ramerberg. Das beste Ergebnis erreichten sie im Landkreis Rosenheim mit 4,8 Prozent in Feldkirchen-Westerham – dort ist FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen aufgewachsen.