Geplante Unterkunft entzündet Debatte

von Redaktion

Die Pläne für eine große Flüchtlingsunterkunft in Rott erhitzen die Gemüter. Während die AfD die Vorgehensweise des Landkreises als „unanständig“ verurteilt, drängen CSU und Freie Wähler auf Kompromisse und menschenwürdige Lösungen. Der Landrat befindet sich derweil in der Zwickmühle.

Rott – Das war zu erwarten: Mit einer Pressemitteilung stürzt sich die AfD auf die Tatsache, dass die kleine Gemeinde Rott eine große Sammelunterkunft für die Erstaufnahme von Flüchtlingen bekommen soll. Landtagsabgeordneter Andreas Winhart ging jetzt mit dem Schreiben in die Offensive: Es sei nicht zu verantworten, „über 400 Personen in ein dafür nicht ansatzweise geeignetes Gebäude zu stecken“, schreibt er.

Tatsache ist: Geplant ist laut Landratsamt die Aufnahme von etwa 260 Personen, die derzeit in den Turnhallen von Raubling und Bruckmühl untergebracht sind. Bei der Pressekonferenz nannte Bürgermeister Daniel Wendrock die Zahl 250 bis 300.

Anfrage an den
neuen Landtag

Egal wie hoch die Anzahl der potenziellen Bewohnerinnen und Bewohner sein wird, fest steht: Rott hat 4200 Einwohner, ein Plus von 250 bis 300 auf einen Schlag könnte die Gemeinde überfordern, betont der Rathauschef. Die Infrastruktur vor Ort im Gewerbegebiet am Eckfeld sei nicht ausreichend. Rott komme auf diese Weise an die Belastungsgrenze. Die Kommune müsse und werde sich zur Wehr setzen und alle Mittel – auch juristisch – nutzen, kündigte der Rotter Bürgermeister an.

AfD-Abgeordneter Winhart konzentriert sich in einer Anfrage an den neuen Landtag jedoch noch auf einen anderen Kritikpunkt: auf die Informationspolitik des Landkreises. Dass dieser mit einem Grundeigentümer in Rott Gespräche führt, war in der Gemeinde nicht bekannt gewesen, hatte der Bürgermeister in seiner Pressekonferenz kritisiert. Der Landrat habe Wendrock einen Tag nach der Landtagswahl darüber informiert, dass ein Mietvertrag abgeschlossen wurde. Wendrock bemängelt, Rott sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Winhart findet, „die ganze Angelegenheit habe einen faden Beigeschmack.“ Der Landrat habe aus taktischen Gründen die Nachricht erst am Montag nach der Wahl weitergegeben. „Ob er in diesem Fall seine Neutralitätspflicht verletzt hat, ist zu prüfen. Politisch unanständig und bürgerverachtend ist das Vorgehen allemal“, so der wiedergewählte AfD-Abgeordnete. Er hat eine Anfrage an den Landtag gestellt, in der er für acht Fragen zu den Plänen in Rott und zur Vorgehensweise des Landratsamts Antworten einfordert.

Friesinger nimmt Lederer in Schutz

Landrat Lederer betont auf Anfrage der Redaktion, der unterschriebene Mietvertrag für die Industriehalle in Rott sei während seines Urlaubs im Landratsamt eingetroffen, deshalb habe er die Gemeinde auch erst nach seiner Rückkehr am Montag, 9.Oktober, informieren können.

Der neu gewählte Mandatsträger Sebastian Friesinger (CSU) nimmt Lederer gegen den Vorwurf, aus wahltaktischen Gründen gehandelt zu haben, in Schutz. Auch ein Landrat müsse einmal eine Woche Urlaub machen können. In dieser Zeit sei der unterschriebene Vertrag auf seinem Schreibtisch angekommen, deshalb habe Lederer den Rotter Bürgermeister am ersten Arbeitstag nach seiner Rückkehr informiert.

Warum hat Lederer nicht im Vorfeld den Kontakt zum Rotter Rathauschef gesucht? Friesinger dreht den Spieß um: „Ich gehe davon aus, dass bei Immobilien- und Grundstücksgeschäften Herr Bürgermeister Daniel Wendrock auch nicht zuvor das Umfeld und alle Betroffenen vor Abschluss und Unterschrift informiert.“

Der neue Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, Sepp Lausch, schlägt vor, in Zukunft in Betracht zu ziehen, in Fällen wie jenen in Rott den Bürgermeister mit vertraulichen Informationen zu versorgen, um dem Vorwurf der Geheimhaltung zu entgehen.

„Wir müssen menschlich bleiben“

Lausch findet außerdem: Der Landrat befinde sich „in einer klassischen Zwickmühle“, will heißen: Lederer muss die Vorgaben der Flüchtlingspolitik umsetzen. Die Verantwortung liege ganz klar nicht bei ihm oder dem Landkreis, sondern bei der Bundesregierung beziehungsweise bei Innenministerin Nancy Faeser.

„Es bräuchten nur die bestehenden Gesetze vollzogen werden, dies würde die Lage ganz bedeutend entschärfen. Allein im Landkreis Rosenheim leben rund 300 nach Recht und Gesetz abgelehnte und nur geduldete Asylbewerber. Würden diese unsere Region verlassen, bräuchten wir über Rott und volle Schulturnhallen nicht zu diskutieren. So lange all dies nicht geschieht, wird das menschenunwürdige Schleusergeschäft weiter boomen.“

Lausch weist bei allem Verständnis für den Widerstand aus Rott darauf hin, dass es um Menschen gehe, „die nun mal hier im Land sind.“ „Es kann nicht unser Anspruch sein, diese Menschen im Zelt auf der Wiese campieren zu lassen, wir müssen auf jeden Fall menschlich bleiben.“

„Andere Form“ des Umgangs gefordert

Friesinger nennt die Reaktion von Wendrock auf die Ankündigung des Landrats außerdem „überzogen.“ „Ich kann nicht bei jeder Entscheidung eines Landrats – er macht es sich wahrlich nicht leicht – sofort mit Klage drohen, hier müssen wir vor allem unter uns kommunalen Mandatsträgern zu einer anderen Form des Umgangs kommen“, findet er. „Es ist kein Problem der Gemeinde Rott, sondern für mich, aufbauend auf eine Nicht-Handelbarkeit unserer Ampel-Bundesregierung, ein viel größeres Problem, das es zu lösen gilt – und zwar auf Bundesebene, wie es im Übrigen alle Landräte aller Parteien gemeinsam seit Monaten fordern.“

Sepp Lausch appelliert ebenfalls: „Emotionen so weit wie möglich außen vor lassen, da diese nicht zur Problemlösung beitragen.“ Er schlägt stattdessen eine Kompromisslösung „von maximal 120 Menschen“ in der Unterkunft in Rott vor, „um die Anwohner und die Bürger von Rott nicht zu überlasten“ und die benachbarten Gewerbebetriebe nicht zu beeinträchtigen.

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