Aschau/Rosenheim – Es ist ein Indizienprozess par Excellence, das sagte auch die Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler im Mordprozess um den Tod von Hanna W. in Aschau. Die Ermittler konnten keine handfesten Beweise sichern. Auch brauchbare DNA-Spuren waren nicht festzustellen. Und der Tatverdächtige Sebastian T. schwieg gegenüber den Ermittlern, so wie auch jetzt als Angeklagter vor der 2. Jugendkammer des Landgerichts Traunstein. Wie es nun weitergeht, und ob aus seiner Sicht ein Zeuge einen brauchbaren Hinweis gegeben hat: Darüber sprach Sebastian T.s Verteidiger Harald Baumgärtl aus Rosenheim mit dem OVB.
Wo stehen wir denn nach zehn Verhandlungstagen?
Wir haben eine Fülle von Zeugen gehört, die das Randgeschehen schildern können. Wir haben sie gehört, weil wir keine direkten Tatzeugen haben. Und wir haben auch gehört, dass es keine DNA-Spuren gibt, sodass es weiter bei schwierigen Indizien bleibt. Man wird sehen müssen, ob diese Indizien am Schluss für eine Verurteilung genügen, oder ob es einen Freispruch in dubio pro reo geben kann, also im Zweifel für den Angeklagten.
Am Freitag sind einige Zeugen aufgetreten, die die Aussage von Verena R., der Hauptbelastungszeugin, zu unterstützen scheinen. Wie beurteilen Sie das?
Na ja, all diese Zeugen waren relativ schwierig. Es waren auch genug dabei, die genau das, was Verena gesagt hat, nicht bestätigt haben. Also, ich habe es nicht so gesehen, dass wir eine Bestätigung ihrer Aussage erhalten haben.
Die Zeugin, die behauptet, Sebastian T. habe zu früh zu viel gewusst: Wo ist sie denn zweifelhaft?
Man muss sich tatsächlich Gedanken machen, ob das Gespräch mit Sebastian T., von dem sie berichtet, am 3. Oktober gewesen sein kann oder ob nicht hier der 4. Oktober gemeint war. Sie sagt, sie sei definitiv sicher, aber das kann nicht belegt werden. Da sind viele Unwägbarkeiten, es ist nicht fix festzumachen.
Was ist denn in den nächsten Tagen zu erwarten?
Nächste Woche werden wir am Donnerstag die kompletten Geodaten von Verena und Hanna, aber auch des Angeklagten sehen. Das heißt, man wird genau sehen, wann war welches Handy wo eingeloggt. Das wird ein umfangreicher Bereich der Beweisaufnahme. Am Freitag werden weitere Zeugen aus der Haftanstalt zu Wort kommen, die mit dem Angeklagten Kontakt hatten.
Nach diesem Ermittlungsauftrag, mit dem Richterin Aßbichler die Soko Club in die JVA Traunstein geschickt hat?
Ja, genau.
Es geht sehr oft um Alkohol in dieser Verhandlung. Warum denn nur?
Es ist erschreckend, wenn man sich anschaut, dass es wohl Ziel eines solchen Abends war, vorzuglühen, bis man fast voll war, und dann sich im Eiskeller ganz zuzuschütten. Wir haben von Zeugen gehört, dass sie sich übergeben mussten. Das ist irgendwo nicht nachzuvollziehen. Was Hanna betrifft, wird sich die Frage stellen, ob tatsächlich ein Gewaltverbrechen vorliegt, oder ob es aufgrund des Alkohols ein Unfall gewesen sein kann. Dazu werden wir von der Gerichtsmedizin einiges hören.
Der Angeklagte sagt nichts zu dem Abend. Wird es dabei bleiben?
Dazu kann ich nichts sagen. Sie sehen, dieses Verfahren bewegt sich mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung.
Er wirkt angeschlagen, manchmal fertig. Hält er das durch?
Ich wüsste nicht, warum nicht. Das ist auch für ihn eine enorme Belastung, aber er wird das durchstehen müssen.Interview: Michael Weiser