Viele Ängste und ein „Wir schaffen das“

von Redaktion

Rund 400 Bürger haben sich am Freitagabend über eine geplante Flüchtlingsunterkunft für 160 Personen in Feldkirchen-Westerham informiert. Was die Bürger besonders bewegt – und wieso Bürgermeister Zistl die Einrichtung „noch nicht“ sieht.

Feldkirchen-Westerham – „Lederer nimm du sie!“: Mit diesem Satz, in roter Schrift auf ein weißes Stoffbanner gepinselt, hat eine kleine Gruppe Feldkirchen-Westerhamer am Freitagabend die geschätzt rund 400 Besucher der Informationsveranstaltung zur geplanten Flüchtlingsunterkunft im Westerhamer Gewerbegebiet begrüßt. Dirigiert von Roland Zeddies, Vorsitzender der AfD Mangfalltal/Bad Aibling, der sein Grüppchen immer wieder versuchte, standortmäßig noch besser in Szene zu setzen. Und der dabei auch keine Unmutsbekundungen wie „Ich stell‘ mich doch jetzt nicht in den Regen“ gelten ließ.

Auch in der voll besetzten Turnhalle war zunächst jener Roland Zeddies Thema. Denn dieser hatte im Vorfeld mit einem Flugblatt mit dem Titel „Asylantenheim kommt nach Westerham! Wollen Sie das?“, verschickt per E-Mail, versucht, die Stimmung anzuheizen. „Dadurch könnte der Eindruck entstanden sein, dass die Gemeinde und ich monatelang an dieser Unterkunft geplant haben“, sagte Zistl und bezog sich dabei vermutlich auf Passagen des Flugblatts wie: „Was wollen Landrat Lederer und Bürgermeister Zistl da klammheimlich durchdrücken?“

Bürgermeister wehrt
sich gegen Vorwürfe

Vorwürfe, gegen die sich der Rathauschef zur Wehr setzte. „Wir haben erst durch das Einreichen des Bauantrags vom Bauvorhaben erfahren“, stellte er klar und verwies darauf, dass Bürgermeister und Kommunen keine Informationen erhalten, „bevor der Pachtvertrag zwischen Landratsamt und Grundstücksbesitzer geschlossen ist.“

Für das Vorhaben in Westerham ist der Pachtvertrag mittlerweile geschlossen, der Bauantrag bei der Gemeinde eingereicht. Was dort geplant ist, skizzierte Roxanne Scheurl, zuständige Abteilungsleiterin am Landratsamt, den Bürgern. Laut Scheurl sollen an der Walter-Gessner-Straße, gegenüber des Spinner-Werks, parallel zur Aiblinger Straße zwei hintereinanderliegende zweistöckige Containerriegel entstehen, in denen in mehreren Wohneinheiten maximal 160 Flüchtlinge untergebracht werden können. Flankiert werden sollen die zweistöckigen Gebäude von einem einstöckigen Verwaltungsgebäude, ebenfalls als Container.

„Das ist die Maximalzahl, die aber auch kein Muss ist“, stellte Scheurl klar und verwies darauf, dass dem Eigentümer zugesichert worden sei, dass eine Überbelegung nicht infrage komme. Geplant sei, dass die ersten Bewohner im vierten Quartal 2024 dort einziehen. „Das geht dann häppchenweise“, so Scheurl. „Es ist nicht so, dass dann plötzlich an einem Montag 160 Personen da sind.“ Alle Bauarbeiten, die dort ausgeführt werden müssen, sollen zudem bei örtlichen Betrieben in Auftrag gegeben werden.

Pachtvertrag läuft
über zehn Jahre

Zur Nationalität der Personen, die dort untergebracht werden sollen, konnte Scheurl noch nichts sagen. Das Landratsamt achte aber darauf, eine sinnvolle Mischung verschiedener Nationalitäten sowie alleinreisender Migranten und Familien hinzubekommen. Scheurl: „Uns ist wichtig, dass es auch Familienzimmer gibt, sodass man auch Familien in den Containern vorrangig unterbringen könnte.“

Der Pachtvertrag läuft nach Angaben der Landratsamt-Abteilungsleiterin über einen Zeitraum von zehn Jahren, womit die Behörde selbst „gehadert“ habe, aber: „Das Problem ist, dass man erst mal eine Fläche finden muss und jemanden, der das verpachtet.“ In diesem Fall habe der Bauunternehmer das Areal gekauft und werde auch die Container kaufen. „Daher muss das Ganze für den auch wirtschaftlich sein.“

Das wiederum ging einem Bürger gegen den Strich. „Wieso muss das für den lukrativ sein? Wir haben ja auch nichts davon.“ Ein anderer Bürger, der nach eigenen Angaben „ebenfalls einen Migrationshintergrund“ hat, lehnte die geplante Unterkunft kategorisch ab. „Wie wäre es, wenn Sie an die Leute denken, die nicht so gut aufgestellt sind und dafür Wohnraum schaffen“, sagte der junge Mann.

Die meisten Bürger trieb an diesem Abend neben der Kostenfrage, zu der Landrat Otto Lederer aufgrund vertragsrechtlicher Aspekte keine Angaben machen konnte, jedoch die Frage nach der Sicherheit um.

„Eine humanitäre
Verpflichtung“

„Ich habe eine Frau und eine Tochter – um die mache ich mir Sorgen“, sagte ein Mann aus Feldolling, der befürchtet, dass die Security dort nur dazu da sei, „dass die sich nicht gegenseitig abschlachten“. Ein anderer Bürger riet der Gemeinde polemisch, am besten jeder Frau „einen Rottweiler“ zur Verfügung zu stellen. Ein weiterer Bürger sagte: „Keiner tut denen was. Aber die müssen vor sich selbst geschützt werden.“

Wortmeldungen, die Landrat Otto Lederer so nicht stehen lassen wollte. Auch er sei kein Freund der aktuell geltenden Asylregelung, aber: „Von den 4500 sind fast 2500 Geflüchtete aus der Ukraine. Ich bin schon der Meinung, dass wir eine humanitäre Verpflichtung haben, diese unterzubringen.“ Lederer: „Ich möchte diese Unzufriedenheit, die ich persönlich mit der Flüchtlingssituation habe, nicht an diesen Menschen auslassen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen.“

Auch Bürgermeister Zistl nahm zu den Befürchtungen rund ums Thema Sicherheit Stellung. Zistl: „Es gibt keine Garantie, dass da nichts passiert.“ Er habe sich aber im Vorfeld der Veranstaltung mit zahlreichen Bürgermeister-Kollegen unterhalten. Und die hätten ihm in Bezug auf derartige Einrichtungen stets das Gleiche erzählt. Zunächst stünden „Drama und Angst, Populismus und Vorwürfe“ im Raum. Zistl: „Dann steht die Containeranlage und es kommen die ersten Geflüchteten. Und dann hören die Probleme auf.“

Das größte Problem sei nach Einschätzung der anderen Rathauschefs die Lärmbelastung. „Aber das bekommen wir in den Griff.“ Bei den 160 Personen seien „garantiert auch fünf Deppen dabei“, so Zistl weiter. „Aber das ist doch bei uns nicht anders.“ Ebenso hoch sei jedoch auch die Wahrscheinlichkeit, dass darunter „einige sind, die die Chance wollen und auch verdient haben.“ Er sei überzeugt davon, dass „wir gesellschaftlich in der Lage sind, diese Menschen aufzunehmen und zu integrieren.“

Das sah auch Sonja Harig, Leiterin einer der beiden Helferkreise für Geflüchtete in der Gemeinde, so: „Wir müssen da im Vorfeld nicht solche Gedanken haben, dass wir das nicht schaffen. Wir schaffen das!“

Bürgermeister findet
Einrichtung zu groß

Feldkirchen-Westerhams Rathauschef betonte während der 2,5-stündigen Veranstaltung mehrfach, dass ihm persönlich „die Einrichtung an dieser Stelle zu groß“ sei. Er favorisiere mehrere kleinere Einheiten, die die Integration der Geflüchteten deutlich erleichtern würden. Daher werde sich der Gemeinderat in seinen kommenden Sitzungen mit dem Thema beschäftigen, um „eine Lösung zu finden“. „Ich sehe diese geplante Anlage noch nicht. Aber das werden schließlich andere entscheiden müssen“, deutete der Rathauschef bereits an, dass es im Hintergrund wohl um juristische Prüfungen der baurechtlichen Faktenlage gehen könnte.

So bleiben für die rund 400 Besucher nach der Veranstaltung, die laut Zistl letztlich „für ein derartig emotionales Thema sehr ruhig“ abgelaufen war, noch viele Fragen offen.

Flüchtlinge im Landkreis

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