Einblicke in Jeff Bezos’ Gedankenwelten

von Redaktion

Wie ist Jeff Bezos eigentlich so drauf? Und was ist das Erfolgsgeheimnis von Amazon? Antworten auf diese Fragen lieferte der ehemalige Amazon-Deutschland-Chef Ralf Kleber bei seinem Besuch des Wirtschaftsforums in Neubeuern.

Neubeuern – „Das war ein Katastrophen-Start-up.“ Dass Ralf Kleber damit den deutschen Sitz des amerikanischen Mega-Konzerns Amazon meint, würde man wohl bei diesem Satz niemals vermuten. Doch bei seinem Besuch des Wirtschaftsforums am Internat Schloss Neubeuern zeigte sich Kleber ganz offen, ehrlich und plauderte auch ein wenig aus dem Amazon-Nähkästchen. Von 1999 bis Anfang 2022 leitete Kleber Amazon in Deutschland und machte aus dem „Katastrophen-Start-up“ den bekanntesten Online-Shop Deutschlands.

Ex-Amazon-CEO:
Kaufhäuser haben neue
Form noch nicht gefunden

Und obwohl er, wie manch einer behaupten würde, den Sensenmann des lokalen Einzelhandels hierzulande groß gemacht hat, sagt Kleber ganz deutlich: „Ich liebe Offline-Shopping.“ Ein Satz, den man nicht unbedingt vom Ex-Chef des Versandriesen erwarten würde.

Doch dabei spürt man, wo die Anfänge von Klebers Karriere lagen. Denn der 59-Jährige war vor seiner Karriere bei Amazon Manager bei Kaufhof (heute Galeria). „Ich wünsche mir, dass viele das neue Offline-Shopping entdecken“, sagt Kleber. Shopping sei ein Event, in welches man die Technik allerdings einbinden müsse, sagt er. Kaufhäuser hätten noch nicht ihre neue Form gefunden. Man brauche ein Erlebnis. Etwa eine Begegnungszone oder Fashionshows. Er versuche, immer das Gute in allem zu finden. „Wenn ich Lebensmittel einkaufen gehe, denke ich mir: ‚Mein Gott, bin ich froh, dass ich die Käsefrau habe. Auf diesen Käse wäre ich selbst nie gekommen‘“, erklärt er. Beim Kaufhaus habe man diesen Weg allerdings noch vor sich. Ihm sei allerdings auch bewusst, dass besonders kleine Geschäfte es derzeit durchaus schwer haben. Umso wichtiger seien kompetente Beratung, die den Kunden einen Mehrwert bietet.

Natürlich bestehe dann nach wie vor die Gefahr, dass der Kunde die Beratung nutzt, nach Hause geht und sich das Produkt auf der billigsten Website im Internet bestellt. „Aber der Billigste zu sein, ist keine Strategie. Das führt direkt in die Pleite“, stellt Kleber klar. Daher habe man bei Amazon versucht, einen Mittelweg zu finden. Ein Ergebnis: die Versandkostenfreiheit. „Alle, die damals versendet haben – also Otto, Quelle, Neckermann und Co. – haben 6,90 Euro für den Versand berechnet.“ Das seien Rechenaufgaben, die ein Kunde nicht leisten wolle.

Man habe zudem versucht, den Kunden mit neuen Ideen und Innovationen zu begeistern. „Als wir gesagt haben, wir launchen Prime Video, hat jeder gesagt, wir spinnen. Die Deutschen würden nur lineares Fernsehen schauen“, erzählt Kleber. Wenn etwas nicht geklappt hat, war das bei Amazon auch kein Weltuntergang – was auch der Denkweise von Gründer Jeff Bezos zu verdanken ist.

Bei Fehlern ging es
nie um die Schuldfrage,
sondern um die Ursache

„Er ist ein sehr analytisch denkender Mensch und trennt das sehr fein von der Person“, beschreibt Kleber seinen ehemaligen Chef. Das Gute daran: Wenn man Fehler gemacht hat, wurde nicht nach dem Schuldigen gesucht. Vielmehr habe man die Ursache identifiziert. „Das hat eine ganz andere Gesprächsatmosphäre geschaffen. Man ist ohne Angst in Themen gegangen.“ Mit Jeff Bezos pflege Kleber nur noch spärlich Kontakt. „Jeff habe ich schon lange nicht mehr gesehen“, sagt er. „Der segelt jetzt viel und macht schöne Dinge. Kann er sich auch leisten.“ Die ein oder andere Anekdote hatte er bei seinem Besuch in Neubeuern dennoch parat.

Bezos sei ein absoluter Star-Trek-Fan. Und so entstand die Idee für den Sprachassistenten Alexa. „Jeff Bezos hat gesagt, wenn sich Captain Kirk auf seinen Stuhl setzt, sagt er: ‚Monitor an‘. Wieso kann ich das nicht?“, erzählt Kleber. Er berichtet außerdem, dass die zweite Sprache, die Alexa damals gelernt hat, Deutsch war.

„Wir haben gesagt, lass uns mit einer Katastrophensprache anfangen“, sagt Kleber und lacht. „Ein Trick war es, Alexa Radio und Fernsehen hören zu lassen.“ Klebers Verkaufsexpertise haben sich die Kaufhäuser nach dem Amazon-Durchbruch allerdings nie eingeholt. „Wir waren ja immer der Sensenmann, der um die Ecke kam“, sagt er und lacht. „Dabei hat niemand verstanden, dass wir online nur gemacht haben, weil wir kein Geld für offline hatten.“ Und genau diese Strategie ging auf. Das dürfte auch der Innovationsmotivation von CEO Bezos zu verdanken gewesen sein.

Grundgedanke:
„Hau jeden Cent raus
in die nächste Idee“

„Nach meinem ersten profitablen Quartal wurde ich mit einer Mail von Jeff belohnt, in der stand: ‚Ralf, did you not have enough ideas to spend your money? (Ralf, hattest du nicht genug Ideen, um dein Geld auszugeben?)’“, sagt Kleber und lacht. Die Denke von Amazon sei nicht gewesen, Profit zu machen. „Die Denke war: Hau jeden Cent raus in die nächste Idee. Denn sobald du aufhörst, Gas zu geben, bleibst du stehen.“

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