Aschau – Wenn es um die Heimat geht, sind Emotionen im Spiel. In Aschau im Chiemgau ist es seit drei Jahren die geplante Modernisierung der Kampenwandseilbahn, die die Gemüter erhitzt. Im Juli 2022 klagte der Bund Naturschutz gegen den Änderungsbescheid des Landratsamtes für den Ersatzneubau der Anlage. Im November 2025 gab es eine mündliche Berufungsverhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Bis zum 20. Januar 2026 soll eine außergerichtliche Einigung gefunden werden.
Remmidemmi oder
Modernisierung?
Ein brandaktuelles Thema also, das der Bayerische Rundfunk in seiner Sendung „Jetzt red i“ in der Festhalle Hohenaschau mit den Bürgern, der Bayerischen Tourismusministerin Michaela Kaniber (CSU) und Gisela Sengl, Landesvorsitzende der Grünen, diskutierte. Während die Ministerin die Modernisierung der Bahn ausdrücklich begrüßte, sprach sich die Grünen-Chefin gegen mehr „Remmidemmi“ am Berg aus.
Eines ist unstrittig: Die Sanierung der Kampenwandseilbahn ist unvermeidbar. Auch wenn die historische Technik für Maschinenbauingenieure wie den Aschauer Hermann Sinnmüller ein Genuss ist: „Wenn ich in die Talstation komme, und es rattert, knattert und nach Öl stinkt, fühle ich mich wohl.“ Zweimal ist er mit der Bahn schon steckengeblieben und fragt sich, „wann sie für immer stehenbleibt, denn die Maschine ist fast 70 Jahre alt und wird keine 100.“
Die Bahn muss erneuert werden. Betreiber Eric Zbil plant, die Berg- und Talstation an ihren bisherigen Standort barrierefrei neu zu bauen. Statt der Vierer-Gondeln soll es künftig mit Achter-Kabinen die kleinsten verfügbaren Gondeln geben. Und da kommt die Nostalgie ins Spiel, die viele Menschen bewegt. Thomas Bauer beispielsweise. Für den Zweiten Vorsitzenden des Aschauer Heimat- und Geschichtsvereins hat die Kampenwandseilbahn Denkmalcharakter. Deshalb hätte er sich gewünscht, dass „Möglichkeiten für eine behutsame Renovierung der bestehenden Bahn geprüft“ worden wären.
Der „harmonisch an die Landschaft angepasste Baustil der 1950er-Jahre, die Mechanik und die Kleinkabinen sind in der heutigen Zeit einzigartig, die Bahn hat ein Alleinstellungsmerkmal in ganz Bayern“, betonte er.
So sieht es auch Karl Garaventa aus Rohrdorf. Er gehört zur Familie der Schweizer Seilbahnpioniere Garaventa. „Man sollte versuchen, aus der jetzigen Kampenwandbahn und der Moderne etwas zu schaffen“, empfahl er. Dass es dafür „pfiffige Seilbahningenieure und Architekten“ gebe, beweise die nostalgische Stanserhornbahn in der Schweiz.
Eine Nostalgiebahn würde auch der Grünen-Chefin Gisela Sengl gefallen, denn an der Kampenwandbahn solle alles so bleiben, wie es ist. Sie sprach sich gegen die „Ausbeutung der Berge“ und „Overtourism“ aus. „Wir brauchen nicht noch mehr Remmidemmi am Berg.“ Sengl positionierte sich klar gegen den „Ausbau der Kampenwandbahn“ und für den „Erhalt des Bestands“.
Was passieren könnte, wenn der fast 70-jährige Bahn-Prototyp nicht modernisiert wird, machte Tourismusministerin Michaela Kaniber klar. „Dann gibt es irgendwann keine Ersatzteile und keine Kampenwandseilbahn mehr.“ Mit ihrem Bau im Jahr 1957 entwickelte sich der Tourismus in der Region.
Heute hat die Gemeinde Aschau mit einem Jahresumsatz von 45,5 Millionen Euro eine enorme touristische Wirtschaftskraft. Von der Kampenwandbahn lebt die ganze Region. „Sie ist von zentraler Bedeutung für den Tourismus, für die Gastronomie und Hotellerie als zweitgrößte Arbeitgeber im Landkreis Rosenheim“, betonte Dehoga-Kreisvorsitzende Theresa Albrecht.
Tourismus ist ein starker Infrastrukturmotor, von dem alle profitieren. Im touristischen Bruttoumsatz in Aschau von 45,5 Millionen Euro sind auch 4,6 Millionen Euro Steuern enthalten. „Es ist der starke Mittelstand, der diese Steuern generiert“, betonte Ministerin Kaniber und machte klar, dass es ohne diese Steuern beispielsweise keine Infrastruktur, keine Kindertagesstätten und keine Schulen gebe. Am Beispiel des Rechtstreits um den Ersatzneubau der Kampenwandbahn kritisierte sie, was den Investoren zugemutet werde. „Unsere Natur ist unsere Heimat und unsere Geschäftsgrundlage. Sie hat oberste Priorität.“ Deshalb müsse man nachhaltig wirtschaften, die Ökologie im Blick behalten, dürfe aber die Wirtschaft nicht vergessen.
Michael Feßler, Betreiber der Chiemsee-Schifffahrt, arbeitet seit Generationen mit der Kampenwandbahn zusammen. Er kritisierte, dass einem Unternehmer nicht vertraut werde, dass er die Natur bewahre und betonte: „Ob am Berg oder auf dem See – wir achten auf die Natur.“
Trotzdem bleibt die Frage, wie viel Tourismus die Natur verträgt. Die Sorgen, dass die neuen Achtergondeln an die 1.500 Menschen pro Stunde auf den Berg bringen könnte, bewegte auch bei „Jetzt red I“ viele Menschen. Doch mit einem überbordenden Anstieg der Fahrgastzahlen rechnen weder die Touristiker noch die Bürgermeister der Region. „Zudem ist die Maximalkapazität nur eine Zahl. Und woher sollen die Menschen denn alle kommen“, betonte Carolin Zbil, Tochter von Betreiber Eric Zbil. Sie nahm mit ihren Geschwistern Vivi und Thomas als nächste Generation des Familienunternehmens an der Diskussionsrunde teil und stellte klar: „Die Zahl der Parkplätze an der Talstation ist begrenzt und wird auch nicht steigen.“
Den Kritikern des Bahnausbaus ging es um die Natur, das Wild, aber auch um ihre Ruhe am Berg und den ungestörten Ausblick. „Gerade die Kampenwandseilbahn macht es aber möglich, den Tourismus positiv zu lenken und sensiblen Naturraum zu schützen“, betonte Michael Schäffer aus Aschau.
Damit sprach er der Ministerin aus dem Herzen, denn: „Wenn wir heute über Tourismus reden, dann muss er gelenkt werden. Wir haben eine sensationelle Natur in Bayern. Die ganze Welt kommt gern zu uns.“ Deshalb werde die Lenkungsfunktion immer wichtiger. Wolle Bayern aber einen starken Tourismus behalten, müsse investiert werden. „Deshalb bin ich dankbar für jeden Investor. Es braucht eine neue Bahn und ich begrüße den Ersatzneubau ausdrücklich.“
Doch ein Ausbau ist auch „Eingriff in die Natur“. Deshalb will der Bund Naturschutz (BN) den Neubau der Kampenwandbahn verhindern. Ein Argument ist dabei der Naturwald. Diese neue Schutzkategorie wird seit Dezember 2020 ausgewiesen. Dabei wurden die Naturwaldflächen digital und ungenau kartiert. Diese Fehler wurden 2022 und im November 2024 korrigiert. Trotzdem bleibt der BN-Kreisvorsitzende Rainer Auer bei seiner Meinung: „Spezlwirtschaft“.
Auer hatte keine Not, der Ministerin damit nicht nur Korruption, sondern live in der BR-Arena auch noch „Lügen“ zu unterstellen. Er behauptet: „Die Naturwaldgrenze wurde so verschoben, dass sie zur künftigen Trasse passt.“ Michaela Kaniber verwies auf die Fakten: „Die Trasse gab es schon vor der Kartierung. Die Kartierung war ungenau. Etwa 250 Quadratmeter waren falsch ausgewiesen worden. Diese Fehler wurden berichtigt.“ Carolin Zbil erinnerte an die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof: „Alle Bedenken des Bund Naturschutz wurde angeschaut und ausführlich besprochen.“ Vor Gericht hatte auch Marius Benner vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Rosenheim die Begrenzung der Naturwaldflächen noch einmal klar erläutert.
Rainer Auer forderte die Runde auf, „sich ehrlich zu machen“ und sprach davon, dass man nach dem Ausbau der Seilbahn mit weiteren Investitionen an den Kampenwand rechnen müsse, beispielsweise mit einer Downhillstrecke und einer Sommerrodelbahn. „Das läuft auf die völlige Kommerzialisierung hinaus. Wir wollen einen Funpark verhindern.“
„Es gibt noch
kein Urteil“
Carolin Zbil stellte klar: „Wir haben kein Interesse an Halligalli-Tourismus.“ Aschaus Bürgermeister Simon Frank fragte nach, ob Rainer Auer „schlecht geträumt“ habe, denn anders könne er sich dessen Behauptungen nicht erklären. Frank verwies auf die Fakten: „Es geht hier um den Ersatzneubau der Kampenwandbahn und die seilbahnrechtliche Genehmigung des Landratsamtes vom Juni 2022.“ Landrat Otto Lederer informierte über den Stand der Dinge: „Es gibt zur seilbahnrechtliche Baugenehmigung noch kein Urteil. Bis zum 20. Januar haben die Parteien Zeit für eine außergerichtliche Einigung.“ Er ist überzeugt davon, dass die Genehmigung standhalten wird, da mit ihr ein guter Kompromiss zwischen Naturschutz und Bahn gefunden wurde.
„Alles andere wäre ein Pyrrhussieg“, sagt Lederer. Dann nämlich würde die Baugenehmigung von 2017 wieder in Kraft treten. „Und damals wurden weniger Naturschutzbelange beachtet.“