Rosenheim – Das Sommerfestival in Rosenheim ist zu Ende gegangen. Die Veranstalter sprechen von einem gelungenen Sommermärchen. Insgesamt 55000 Besucher feierten zehn Tage lang im Mangfallpark. Doch es gibt auch Kritik daran, wie sich die Veranstaltung entwickelt hat.
Das Sommerfestival in Rosenheim: Noch immer ein Anknüpfungspunkt an den Erfolg der Landesgartenschau im Jahr 2010. Die Stadt war aufgeblüht damals. Und mit dem Mangfallpark Süd war ein Areal für kulturelle Veranstaltungen entstanden, das sich anbot, es auch nach dem Ende der Gartenschau zu nutzen. 2011 fand dann zum ersten Mal das Sommerfestival statt – und entwickelte sich über die Jahre rasch zum Publikumsliebling. Die Gesamtzahl der Besucher stieg gewaltig, von etwa 30000 im Jahr 2012 auf rund 60000 in den Jahren 2016 und 2018. Was wenige Jahre zuvor als kleines Festival begonnen hatte, bekam immer mehr den Charakter einer Großveranstaltung.
Jeder Stuhl
eine Stolperfalle
Eine Entwicklung, die viele gute kulturelle Angebote nehmen. Allerdings mit ähnlichen Folgen: Besucher aus den früheren Jahren bleiben fern, weil sie sich nicht mehr mit der Veranstaltung identifizieren können. Die Künstler werden prominenter, ziehen mehr Musikliebhaber an. Und mit der steigenden Zahl an Besuchern wird die Frage wichtiger, wie umzugehen ist mit deren Versorgung und dem Müll, der daraus entsteht.
Eine, die das Sommerfestival in Rosenheim seit der ersten Stunde kennt, ist Charlotte Thaler aus Schechen. Sie ist 71 Jahre alt und mag Musik. Doch zum Sommerfestival will sie nicht mehr gehen. Für sie ist es viel zu anstrengend, über Stunden stehen zu müssen. Seit es überhaupt keine Stühle mehr gebe und das Mitbringen von Decken verboten sei, bleibe sie lieber daheim. Und mit ihr auch ihre Freunde. „Die gehen da auch nicht mehr hin, das ist ihnen allen viel zu anstrengend“, sagt Charlotte Thaler, und fühlt sich am Ende „ausgegrenzt“.
Eine Emotion, die nicht nur Charlotte Thaler an sich bemerkt. Es gebe einige Senioren, die sich in gleicher Sache an ihn gewandt hätten, sagt der Rosenheimer Seniorenbeirat Josef Kugler. In der Folge habe er sich an die Veranstalter des Sommerfestivals gewandt, die „Landesgartenschau GmbH“, eine 100-prozentige Tochter der Stadt. Kugler hatte nachgefragt, ob man die Konzerte nicht zum Teil wieder bestuhlen könnte.
Doch das ist ausgeschlossen. Wie Organisatorin Alexandra Birklein von der „LGS-GmbH“ mitteilt, geht Sicherheit vor Bequemlichkeit. Jeder Stuhl auf dem Festivalgelände sei eine „Stolperfalle“. Falls das Gelände evakuiert werden müsse, würden die Besucher über die Stühle fallen. „Das geht einfach nicht.“ Wenn sich die Besucher während des Konzerts auf mitgebrachte Jacken setzten, dann sei das vollkommen okay. Und auch für diejenigen, die nicht auf dem Boden sitzen könnten, gebe es eine Lösung, sagt Birklein: den Behindertenbereich, in den jeder eingelassen werde, egal ob er einen Bänderriss habe oder aus gesundheitlichen Gründen nicht länger stehen könne. Grundsätzlich sei es schwierig, den Spagat zu schaffen zwischen Wohlbefinden und Sicherheitsbedürfnis. Das gelte nicht nur in Rosenheim, sondern auch in vielen der ganz großen Veranstaltungshallen „Wir haben hochkarätige Künstler, die sonst nur im Olympiapark auftreten, da fragt auch niemand, ob er einen Stuhl oder eine Picknickdecke mitbringen darf“, sagt Birklein.
Verstehen kann sie die Sehnsucht nach den alten Verhältnissen aber durchaus: „Der Gedanke an die Vergangenheit ist immer noch da. Klar sind wir familiärer und kleiner als Konzerte im Olympiapark. Das wollen wir auch. Aber deshalb müssen wir uns trotzdem an Richtlinien halten.“ Und so wird es auch in Zukunft keine Bestuhlung mehr beim Sommerfestival geben.
Ein ganz anderes Thema ist der Umgang mit dem anfallenden Müll während der Musiktage. Insgesamt waren 26 Mülltonnen mit je 240 Litern Fassungsvermögen aufgestellt, teilt die Stadt mit. Das Volumen sei „im Ganzen gesehen ausreichend“ gewesen. Geht es um Details, verweist Pressesprecher Thomas Bugl auf die zuständige Gastronomie. Der genannte Ansprechpartner des Unternehmens „Mar y Sol“ war bis Redaktionsschluss jedoch nicht zu erreichen.
Erlaubnis nur für
bruchsicheres Geschirr
Grundsätzlich gilt für das Sommerfestival die Auflage: „Es dürfen für Getränke nur bruchfeste Becher und für Speisen nur bruchfestes Mehrweggeschirr oder Papier/Pappe verwendet werden. Ausnahmen nur mit Genehmigung der LGS-GmbH.“
Im Nachgang zum Festival im vergangenen Jahr hatte die Stadtratsfraktion der Grünen beantragt, dass die Stadt bei der Genehmigung von öffentlichen Veranstaltungen grundsätzlich den Gebrauch von Mehrweggeschirr vorschreiben, es also eine verbindliche Auflage dazu für die Veranstalter geben sollte. Dazu fehle die rechtliche Basis. Eine pauschale Forderung und die Durchsetzung einer solchen Auflage seien aus juristischen Gründen nicht möglich, hatte die Stadt damals argumentiert. Zugleich aber war klar geworden, dass die Stadt die Nutzung von Mehrweggeschirr immer dann einfordern kann, wenn sie selbst Veranstalter ist. Und die Stadt hatte zugesagt, mit der „LGS-GmbH“ über den Einsatz von solch umweltfreundlichem Geschirr beim Sommerfestival 2019 zu beraten.
Dazu ist es nun nicht gekommen. Sehr zum Ärger einiger Besucher, die sich auf Facebook über die Situation während der Veranstaltung beklagen – auch, indem sie kritische Posts teilen und auf diese Weise weiterverbreiten. Dass es aber letztlich nicht ohne Weiteres eine fundierte Aussage über Gut oder Böse in Sachen Müll geben kann, zeigen die Worte von Peter Kasperczyk: Der Vorsitzende des Rosenheimer Bund Naturschutz warnt davor, zu pauschalieren.
Dank Dialog
zur besten Lösung
Auf den ersten Blick könne man leicht sagen, Mehrweg sei die bessere Lösung. Um aber tatsächlich ein wahrhaftiges Ergebnis zu erzielen, sei es notwendig, auch Faktoren wie die Produktion des Produktes einzubeziehen. Oder auch zu klären, wie häufig ein Mehrweggeschirr gespült werden muss, und unter welchen Bedingungen. Gleiches gelte für den Plastikbecher. Ob er sortenrein gesammelt werde, oder ob er als Mikroplastik im Meer lande – das seien wichtige Punkte bei einer Entscheidung für oder gegen Plastik, für oder gegen Mehrweg, sagt Kasperczyk. Und rät zu einem Dialog aller Beteiligten, um die beste Lösung für Rosenheim zu finden.
Die Europäische Union immerhin will Einweggeschirr und Strohhalme aus Plastik ab 2021 verbieten.