„Für uns ist sie ein Gewinn“

von Redaktion

Stadträtin Ricarda Krüger verlässt „Die Partei“ und tritt in die Rosenheimer SPD ein

Rosenheim – Freude bei den Sozialdemokraten, Enttäuschung bei „Die Partei“: Die Stadträtin Ricarda Krüger ist in die SPD eingetreten. Das hat die Fraktion jetzt in einer Pressemitteilung bekannt gegeben. Ein Porträt über eine Frau, die von vielen unterschätzt und mitunter belächelt wird.

Ricarda Krüger (33) hat sich schon lange damit abgefunden, dass sich Menschen ein Urteil über sie bilden, ohne vorher mit ihr gesprochen zu haben. „Ich glaube, dass ich von vielen nicht ernst genommen werde“, sagt sie. Die Ärmel ihrer schwarzen Jeansjacke hat sie nach oben gekrempelt, auf ihrem rechten Arm sind bunte Tattoos zu sehen. Hin und wieder blickt sie auf ihr Telefon, auf dem im Sekundentakt neue Nachrichten aufploppen.

Koordinierung
der Notunterkünfte

Seit sie sich bereit erklärt hat, bei der Koordination der Notunterkünfte für die Menschen aus der Ukraine zu helfen, steht sie ständig auf Abruf. Sie organisiert Dolmetscher, kauft Spielzeug und begleitet Ukrainer zur Bank, damit sie Konten eröffnen können. Wenn ein Rollstuhl kaputtgeht, ist Krüger diejenige, die angerufen wird, um das Problem zu lösen. „Sie packt sofort mit an, wenn es etwas zu tun gibt“, sagt Christian Hlatky, Geschäftsführer der Bürgerstiftung, der die Flüchtlingshilfe koordiniert.

Es ist eine Eigenschaft, die auch die Mitglieder der Rosenheimer SPD über die vergangenen zwei Jahre an der 33-Jährigen zu schätzen gelernt haben. So lange arbeiten SPD und „Die Partei“ im Stadtrat zusammen.

Dass Krüger jetzt in die SPD eingetreten ist, dürfte demnach nicht überraschend sein. Und doch war es für die 33-jährige Medizinfachangestellte keine einfache Entscheidung. „Ich musste sehr lange überlegen“, sagt sie. Auch, weil ihr die Arbeit in der „Die Partei“ so viel Spaß gemacht habe. Dennoch ist sie nun zur SPD gewechselt.

Zur Freude von Fraktionsvorsitzenden Abuzar Erdogan: „Ricarda ist mit Leib und Seele dabei, wenn es darum geht, diese Stadt nach vorne zu bringen. Ihre Leidenschaft für wichtige Themen wie Kultur, Gesundheit und ein gutes Miteinander ist bewundernswert.“

Und dabei hatte die 33-Jährige lange Zeit überhaupt nicht mit dem Gedanken gespielt, in die Politik zu gehen. „Ich bin da mehr reingerutscht“, sagt sie und fährt sich durch die kurzen blonden Haare. 2015 sei sie über Freunde zur „Die Partei“ gekommen. Als Vorsitzende des Kreisverbandes ließ sie sich 2020 schließlich als Oberbürgermeisterkandidatin aufstellen. Mit grün gefärbtem Irokesenschnitt stand sie damals auf dem Max-Josefs-Platz und sammelte Unterschriften.

Während ihr viele während der Kandidatur unterstellten, die Sache nicht ernst zu nehmen, saß die 33-Jährige jeden Abend zu Hause und bereitete sich auf den Wahlkampf vor. „Ich habe versucht, mich in alles reinzufuchsen und fand das total spannend.“

Zwei Jahre später hat sich an der Einstellung der 33-Jährigen nur wenig geändert. Sie ist die wohl einzige Stadträtin, die als Gast bei jeder Ausschusssitzung dabei ist – ob es um Stadtentwässerung, Verkehr oder Schule geht. „Am Anfang bin ich fast verzweifelt, weil ich nichts verstanden habe“, sagt Krüger. Mittlerweile habe sie „mehr Boden gefunden“ und beteiligt sich immer wieder mit Redebeiträgen. Auch das will sie in Zukunft noch öfter tun. Mehr Sicherheit gewinnen, nennt sie das.

Und das, obwohl es der 33-Jährigen nicht an Selbstsicherheit fehlt. Sie steht gerne im Mittelpunkt, genießt es, wenn die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet ist. Sei es bei ihren wöchentlichen Besuchen im Seniorencafé in der Endorfer Au oder bei den Auftritten mit ihrer Band „Achtung Brigitte“. Nur in der Politik ist sie noch etwas zurückhaltend. Mit dem Eintritt in die SPD soll sich das ändern. „Sie unterstützen mich und meine Ideen“, sagt Krüger und klingt dabei etwas überrascht.

Viele Ziele
für die Zukunft

Und sie hat viele Ideen: Sie setzt sich für verkehrsberuhigte Bereiche in der Innenstadt ein, will sozial schwächeren Familien den Zugang zu Sportarten leichter ermöglichen und möchte, dass die Kulturszene noch sichtbarer wird. „Ricarda ist ein Gewinn für die SPD vor Ort aber auch insgesamt. Sie macht sich für ein tolerantes, lebendiges und friedliches Rosenheim stark, wie nur wenige andere“, sagt Elisabeth Jordan, Vorsitzende der SPD Rosenheim-Stadt, und fügt hinzu: „Als medizinische Fachkraft kennt sie zudem die Lebensrealität dieser äußerst wichtigen Berufsgruppe sehr gut und bringt diese Sicht auch in ihre politische Arbeit mit ein.“

Für die Zukunft hofft Ricarda Krüger vor allem eines: „Ich möchte, dass die Leute erst mit mir ins Gespräch kommen, bevor sie sich eine Meinung über mich bilden.“ Dann klingelt ihr Telefon. Es geht um eine Veranstaltung in der Volkshochschule, an der sie teilnehmen soll. Nicht mehr als Stadträtin von der „Die Partei“, sondern als Sozialdemokratin.

„Die Partei“ tauscht Krüger gegen fünf Bierkästen

„Die Partei“ verscherbelt ihre Vorsitzende auf dem freien Politikmarkt: So heißt es in einer Pressemittelung der „Die Partei“, die über den Wechsel von Stadträtin Ricarda Krüger zur SPD informiert. „Wir freuen uns sehr, dass die Nachfrage bei der politischen Konkurrenz an einer guten Politikerin mit hohem Wiedererkennungswert so hoch ist“, heißt es in dem Schreiben. Viele Rosenheimer würden die „fleißige und engagierte Stadträtin“ als „unverwechselbare Politikmarke“ und „Bürgermeisterin der Herzen“ kennen. „Von den Grünen über ein Bündnis kleinerer Parteien mit sehr vielen engagierten Einzelpersonen bis hin zur Linkspartei war die Nachfrage nach einer Premium-Politikerin wie ihr stets ungebrochen“, teilt „Die Partei“ mit. Letztendlich sei es der SPD gelungen, sich „im buhlenden Kampf um Ricardas Gunst“ den Zuschlag zu sichern – gegen eine Ablösesumme in Höhe von fünf Bierkästen. Der Wechsel zur SPD hat laut „Die Partei“ hauptsächlich formelle Gründe, da eine Doppelmitgliedschaft nicht erlaubt sei. „Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich ‚Die Partei‘ weiterhin unterstütze“, sagt Ricarda Krüger. Auch Elisabeth Jordan und Abuzar Erdogan betonen, dass der Wechsel keinen Einfluss auf das gute und freundschaftliche Verhältnis zur Partei „Die Partei“ haben werde.

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