„Fußball kennt keine Sprachbarrieren“

von Redaktion

Fußball verbindet Nationen, jedoch nicht nur bei Großereignissen. Auch in Westerndorf bildet die Liebe zum Ball eine neue Gemeinschaft. Hier bietet der SV Westerndorf ein Fußballtraining für ukrainische Kinder an.

Rosenheim – Lautes Gejubel ertönt über den Sportplatz des SV Westerndorf. Ein Tor wurde geschossen. Während sich das eine Team voller Freude brüderlich in die Arme fällt, berät sich die gegnerische Mannschaft, wie sie als Nächstes vorgehen soll. Doch etwas ist heute anders als bei den sonstigen Spielen. Heute spielen deutsche und ukrainische Kinder Seite an Seite. Dies ist in Westerndorf jedoch längst keine Neuheit mehr. Bereits seit einigen Wochen veranstaltet der SV Westerndorf regelmäßig ein Fußballtraining für ukrainische Flüchtlingskinder.

„Heute sind es allerdings etwas weniger“, erklärt Manuela Späing. Einige seien heute im Freibad. Gegen 10 Uhr trudeln jedoch die ersten Kinder schon ein. Vor dem Vereinsheim wurden zuvor auf einem langen Tisch Fußballtrikots und Schuhe in jeglichen Größen ausgebreitet, die sofort an die Kinder verteilt werden. Einige von ihnen haben auch ihre Trikots vom letzten Mal dabei und fangen selbstständig an, mit den anderen Kindern zu spielen.

Methode: Einfach
mal machen

Manuela Späing ist selbst „Fußball-Mama“ beim SV Westerndorf. Gemeinsam mit Georg Huber, Beirat der Fußballabteilung, hat sie das Projekt ins Leben gerufen. Der Verein war gerade mit seiner „Lauf-Challenge“ beschäftigt, als der Krieg in der Ukraine ausbrach und die ersten Flüchtlinge in Rosenheim ankamen. Sofort war die Hilfsbereitschaft groß. „Ich habe mich gefragt, was meinen fußballspielenden Kindern helfen würde“, erzählt Späing. Die Antwort darauf war ihr sofort klar: Fußball spielen. Daraufhin holte sie Georg Huber mit ins Boot. „Von da an ging alles ziemlich schnell“, sagt er. Zwar hatte der Verein noch keinerlei Erfahrungen, wie man ein solches Projekt organisiert, jedoch beschloss er „einfach zu machen“. Und das sei der einzig richtige Weg gewesen, beteuert Huber. Drei Wochen nach dem ersten Training trafen sich die Organisatoren, um die letzten Treffen Revue passieren zu lassen. Was konnten sie besser machen?

Schnell stellten sie fest, dass das Training, welches zunächst samstagnachmittags stattfand, mit sämtlichen Terminen der anstehenden Saison kollidieren könnte. So könnte beispielsweise der Platz für ein Heimspiel belegt oder die Trainer bei einem Auswärtsspiel unterwegs sein. Also wurde das Training auf Sonntag von jeweils 10 bis 11.30 Uhr verlegt.

Auch der Transport der Kinder stellte für den Verein eine große Herausforderung dar. Ein Thema, an das man zunächst einmal nicht gedacht habe. Acht Ehrenamtliche mussten anfangs die vielen Kinder von der Luitpoldhalle zum Sportplatz transportieren. „Man konnte ja nie wissen, wie viele Kinder tatsächlich kommen würden“, erklärt Manuela Späing. Doch es seien immer mindestens 30 gewesen, die mitmachen wollten. Das Busunternehmen Lossinger bot dem Verein nach einiger Zeit seine Hilfe an, um ihm dieses Problem abzunehmen. Nun könne man klarer kommunizieren, wie viele Kinder man mitnehmen kann, sagt Manuela Späing.

Seit dem letzten Mal wird das Training von einem ehemaligen ukrainischen Profifußballer begleitet. Fußball sei sein Lebensinhalt gewesen, erklärt Manuela Späing. Diesen Lebensinhalt wolle man ihm hier so gut es geht zurückgeben. Heute ist er bereits zum zweiten Mal dabei und baut gerade verschiedene Stationen auf, an denen er mit den Kindern verschiedenste Techniken übt. „Jetzt sind es die deutschen Kinder, die plötzlich nichts mehr verstehen“, sagt Georg Huber lachend.

Neben den vielen ukrainischen Kindern kommt nämlich auch die gleiche Anzahl an deutschen Kindern aus dem Verein. Diese scheinen sich gut mit den Ukrainern zu verstehen. Vor allem die jüngeren Kinder interagieren stets miteinander, erzählt Georg Huber. „Fußball kennt keine Sprachbarrieren“, sagt Klaus Jordan, Vorstand des SV Westerndorf, stolz. Georg Huber stimmt dem zu. Beim Spielen brauche man keine Sprache, das Spiel regle das ganz von alleine.

Auf dem Platz geht derweil das Training weiter. Die Kinder werden von den Trainern nun in drei Gruppen eingeteilt und auf die einzelnen Stationen verteilt. Auch eine Mädchengruppe hat sich in den letzten Wochen gebildet. Allerdings spielen sie selten mit dem Rest Fußball. Meistens tanzen sie gemeinsam oder spielen Spiele. Heute ist jedoch nur eine Handvoll Mädchen anwesend. Der Großteil ist mit den restlichen Kindern in das Schwimmbad gefahren. Jedoch schließen sie sich schnell mit einer ehrenamtlichen Helferin zusammen und tanzen gemeinsam zu Kinderliedern, wie dem „Fliegerlied“. Auch ein paar Geschwisterkinder der Spieler des SV Westerndorf schließen sich den Mädchen an.

„Uns geht es hier nicht darum, dass die Kinder besser schießen lernen“, erklärt Georg Huber. Der Verein versucht den Kindern lediglich einen Raum zu geben, um ihre Leidenschaft auszuleben und Spaß zu haben. „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es hier zum Teil mit traumatisierten Kindern zu tun haben“, fügt Manuela Späing hinzu. Die Kinder sollen in diesem Training die Möglichkeit haben, von ihrem Alltag als Geflüchtete eine kleine Auszeit zu nehmen. Dies scheint zu funktionieren. Alleine heute füllen zwei ukrainische Jungen einen Mitgliedsantrag in den Verein auf. Für die Organisatoren ein Zeichen des Erfolgs.

Dringend benötigte
Trikots und Stutzen

Um die Neuzugänge mit ausreichender Fußballkleidung ausstatten zu können, veranstaltete der Verein zu Beginn des Projekts eine interne Spendenaktion, bei der die Vereinsmitglieder die alten Trikots oder Stollenschuhe ihrer Kinder spenden konnten. Somit konnten bereits beim zweiten Treffen alle ukrainischen Kinder mit passender Kleidung ausgestattet werden. Doch die Kinder wurden seit dem immer mehr. Um den neuen ukrainischen Kindern eine gute Ausstattung zur Verfügung stellen zu können, bittet der Verein erneut um Spenden. Gut erhaltene Fußballschuhe und Sportklamotten für Kinder und Jugendliche können am Sonntag, 22. Mai, von 9.30 bis 11.30 Uhr am Vereinsheim des SV Westerndorf abgegeben werden.

Fortuna Rosenheim spendet für die Ukraine

Auch der Verein Fortuna Rosenheim engagiert sich für ukrainische Flüchtlinge. Er rief zunächst intern in einer Whatsapp-Gruppe zu privaten Spenden an die Initiative „Jetzt Helfen“ auf.

Durch private Spenden und ehrenamtliche Hilfe kümmert sich die Initiative um die Versorgung der Flüchtlinge von der Fluchtbegleitung bis hin zur Unterstützung im Alltag. Aufgrund des hohen Interesses der rund 100 Mitglieder, entschloss sich Fortuna Rosenheim zu einer Vereinsspende. Hierfür sammelte er die Eintrittsgelder zweier Heimspiele, an denen zusätzlich noch ein Sparschwein für Spenden der Zuschauer aufgestellt worden war. Außerdem steuerte Fortuna Rosenheim eine großzügige Summe aus der Vereinskasse bei, sodass gut 1000 Euro an den Verein „Jetzt Helfen“ übergeben werden konnten.

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