Seit 50 Jahren ein Ort für alle

von Redaktion

Festgottesdienst und Feier in der Apostelkirche am heutigen Samstag

Rosenheim – Trotz aller Krisen gibt es für Protestanten in Rosenheim etwas zu feiern: Die Apostelkirche wird 50 Jahre alt und wer richtig rechnet, der macht sogar die Hundert voll. Ein Blick in die Geschichte, so wird gefeiert.

Die Apostelkirche stecke mitten in der Pubertät, hatte Dekan Dr. Friedrich Rusam, Anfang der 90er-Jahre geschrieben. Was heute für Schmunzeln sorgt, sei damals, erzählt Pfarrerin Claudia Huber, nicht besonders gut angekommen. Huber hat viel über die Gemeinde gelesen in diesen Tagen – nicht dass sie das sonst nicht tut, schließlich ist sie die zuständige Pfarrerin, aber in alte Gemeindebriefe schaut sie doch sonst eher selten. Aber zum 50. Geburtstag wirft man eben auch einen Blick auf Kindheit und Pubertät.

Große Unterschiede,
aber trotzdem eine Gemeinde

Zum Beispiel, wer 1972 im Gründungsjahr der Gemeinde konfirmiert wurde. „Da stehen Orte wie Haidholzen, das gehört inzwischen längst zur Gemeinde Stephanskirchen“, sagt Huber. Denn das Gemeindegebiet hat sich über die Jahre doch deutlich verändert. Sehr divers sei das Gebiet, sagt Huber. Vom Bahnhofsareal über Villenviertel bis zu richtig ländlichen Bereichen sei alles dabei. Und dennoch: „Es ist eine Gemeinde“ – nicht ein Haufen, der nichts miteinander zu tun hat.

Das zeigt sich zum Beispiel an dem Nachhaltigkeitsschwerpunkt. Im Garten zwischen Kircheingang und Pfarrhaus gibt es Hochbeete und sogar einen Bienenstock. Im Eingangsbereich der Kirche gibt es ein Verschenkeregal und einen Kühlschrank für Lebensmittel. Drei ehrenamtliche Gemeindemitglieder kümmern sich um Letzteren. „Da haben wir endlose Diskussionen drüber geführt: Lohnt sich das? Verbraucht der nicht zu viel Strom? Wer ist haftbar, falls doch mal etwas schlecht geworden ist?“, erzählt Huber. Aber jetzt ist der Kühlschrank da und wird angenommen. „Wenn ich im Sommer auf dem Balkon sitze, dann läuft alle zehn Minuten jemand ins Gemeindehaus Richtung Kühlschrank“, sagt sie. Die Gemeinde ist sogar mit dem „Grünen Gockel“, dem Umwelt Siegel der evangelischen Kirche, ausgezeichnet worden.

„Es passiert in der Gemeinde immer das, wofür die Menschen sich engagieren“, erklärt Pfarrerin Huber. Sie sei da nicht die treibende Kraft. Das seien die Mitglieder. Ungefähr 150 Ehrenamtliche engagieren sich regelmäßig in der 7000-Seelen-Gemeinde. „Bei uns bewegt eben die Bewahrung der Schöpfung die Menschen und die bringen viel Know-how mit.

Know-how, das die Gemeinde schon vor 20 Jahren erfolgreich genutzt hat. Wenn man mit Claudia Huber in der Apostelkirche steht, kommt sie aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus: „Ich könnte nie die Stelle wechseln, weil ich müsste die Kirche ja mitnehmen“, sagt sie lachend. Vor genau 20 Jahren gab es den ersten Gottesdienst hier. Entworfen wurde die Kirche „von unseren Architekten“, damit meint Huber Thomas Krücke und Detlef Wallishauser, die eben auch engagierte Gemeindemitglieder sind. Neben dem Lichtspiel durch zwölf Fenster sticht besonders die Akustik heraus – nicht umsonst finden auch viele Kammerkonzerte statt.

Auf dem kleinen Vorplatz sammeln sich derweil Eltern mit ihrem Nachwuchs. Der Kinderchor hatte gerade Probe und die Eltern ratschen noch ein wenig. Auch im Pfarrbüro herrscht reger Betrieb, verschlafen ist die Gemeinde sicher nicht. Dabei liegen auch hinter ihr harte Zeiten. Nicht nur katholische Kirchen sind durch Austritte in die Krise geraten, den Protestanten geht es kaum besser. „Ich sehe ja, wer austritt, das sind Paare, die ich selbst getraut habe und das tut mir weh“, sagt Huber.

Regionalbischof
kommt zum Fest

Dabei sei ja Kirche weiter wichtig, vielleicht sogar wieder wichtiger geworden. Denn: „Die Spaltung der Gesellschaft ist auch bei uns in der Gemeinde spürbar, aber ich merke immer wieder: Das sind belastbare Beziehungen“, erzählt Huber. Da werde schon gestritten, ob Maßnahmen gerechtfertigt seien oder die Impfung notwendig, aber die Menschen kämen hier wieder zusammen. „Kirche ist ein Ort, an dem sich alle treffen dürfen, unabhängig davon, was sie denken, glauben oder tun“, sagt Huber.

Und am heutigen Samstag, wird sich wieder getroffen: Um nicht nur das 50-jährige Jubiläum der Gemeinde zu feiern, sondern auch das 20. des Gotteshauses und das zehnjährige des Kindergartens. Der feiert nämlich auch mit – zusammen macht das dann eine glatte Hundert. Damit sollte man dann doch der Pubertät entwachsen sein. Los geht es am Nachmittag mit Kaffee und Kuchen, um 16 Uhr folgt dann der Festgottesdienst mit dem Münchner Regionalbischof Christian Kopp. Danach ist natürlich längst nicht Schluss, es wird gegrillt, zu trinken gibt es Bier vom Fass und Livemusik von der Band Bavarian Bland.

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