Panikmache oder wichtige Information?

von Redaktion

Blackout-Flyer sorgt für Kritik – Oberbürgermeister überzeugt von richtigem Handeln

Rosenheim – Um die Bürger auf einen möglichen „Blackout“ vorzubereiten, hat die Stadt Flyer verschickt. Eine deutschlandweite Berichterstattung, Kritik eines Stadtrats und besorgte Anrufe waren die Folge. Bei der Bürgerversammlung am Dienstagabend erklärte Oberbürgermeister Andreas März, warum kein Grund zur Panik besteht.

Aufgewühlt
und unkonzentriert

Die Mutter von Markus Bea hat seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen. Die 80-Jährige lebt in einem Rosenheimer Altenheim. Seit Anfang der Woche liegt auf dem Tisch in ihrem Zimmer die Broschüre mit dem Titel „Blackout – und dann?“ Auf mehreren Seiten hat die Stadt Rosenheim darin – wie berichtet – zusammengefasst, was ein „Blackout“ ist, welche Warnsysteme es für die Bevölkerung gibt und was man für mindestens zwei Wochen zu Hause haben sollte.

„Die städtische Verwaltung will mit dieser Handreichung keinesfalls Panik erzeugen“, teilte Oberbürgermeister März in einem Brief mit, der samt der Broschüre in den Briefkästen der Bürger gelandet ist. Vielmehr sei es ihm ein Anliegen, die Bürger mit „hilfreichen Informationen für den Fall einer solchen Krisensituation zu unterstützen“.

Dieser Plan scheint so nicht aufgegangen zu sein. „Meine Mutter war aufgewühlt und unkonzentriert“, erinnert sich Markus Bea. Er wohnt in Würzburg und telefoniert fast täglich mit seiner Mutter. Nachdem er sie gefragt hat, was los sei, habe sie von dem Blackout-Flyer berichtet. „Ich dachte erst, dass die AfD dahintersteckt“, sagt er. Eine eingescannte Version der Broschüre überzeugte ihn vom Gegenteil – und sorgte bei dem Würzburger für zusätzlichen Ärger. „Ich halte das für reine Panikmache.“

Bea sei es nur mit Mühe gelungen, seine Mutter zu beruhigen und sie davon abzuhalten, in den nächsten Supermarkt zu gehen, um sich mit Zündhölzern, Kerzen und Hygieneartikeln einzudecken. „Die Broschüre war gut gemeint, aber schlecht umgesetzt“, sagt Markus Bea.

Kritik an dem Handeln der Stadt gibt es auch von SPD-Stadtrat Abuzar Erdogan. In den sozialen Medien distanziert er sich von der Aktion, die auch nicht mit dem Kommunalparlament abgestimmt und kommuniziert gewesen sei. „Diese Angstmacherei ist definitiv übers Ziel hinausgeschossen“, schreibt der Fraktionsvorsitzende in seinem Facebook-Beitrag.

„Das ist echt großer Schund“, kommentiert ein Nutzer. Andere schreiben von „unnötiger Panikmache“ und davon, dass „Angst noch nie ein guter Berater war“. Wieder andere loben das vorausschauende Handeln der Stadt und sagen, dass es sich keinesfalls um Angst oder Panikmache handele, sondern lediglich um eine Information.

Doch der Flyer hat der Stadtverwaltung den ein oder anderen Anruf beschert. Das teilte Oberbürgermeister März während der Bürgerversammlung im Kultur- und Kongresszentrum am Dienstagabend mit. „Die Broschüre hat übers Wochenende für viel Unverständnis und Unsicherheit gesorgt“, sagte er und weiter: „Es war nicht unsere Absicht, Angst zu machen.“ Im Gegenteil. Laut März sollte die Broschüre die Rosenheimer informieren, was bei einem flächendeckenden Stromausfall zu tun wäre.

„Wir beschäftigen uns mit dem Thema bereits seit Dezember 2018. Das hat nur niemand mitbekommen“, erklärte er den Besuchern zu Beginn der Versammlung. Aber er merkte auch an, dass es sich möglicherweise nicht um einen guten Zeitpunkt gehandelt habe, um den Flyer zu verschicken. „Auf der anderen Seite: Gibt es wirklich einen guten Zeitpunkt, um so etwas zu verschicken?“, fragte er die Anwesenden.

Er entschuldigte sich bei Bürgern, denen die Broschüre Angst gemacht hat, zeigte sich aber auch überzeugt davon, dass andere Kommunen dem Beispiel Rosenheims folgen werden. „Wir werden nicht die Einzigen mit einem solchen Flyer bleiben.“ Die Informationen seien auf diversen Internetseiten einsehbar.

Nicht mit der
Tür ins Haus fallen

Doch geht es nach Markus Bea, hätte es genau dabei bleiben sollen. „In Würzburg gibt es auch keine Flyer und ich fühle mich nicht weniger informiert“, sagt er. Informationen seien in seinen Augen wichtig, jedoch sehe er es kritisch, dass die Stadt „mit der Tür ins Haus fällt“.

Etwas anders schätzt Oberbürgermeister März die Situation ein: „Ich bin davon überzeugt, dass wir richtig gehandelt haben“, sagte März. Mit dem Blackout-Flyer habe die Stadt erreicht, dass sich die Menschen in Rosenheim mit der Thematik auseinandersetzen. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte er. Zumindest Markus Bea und seine 80-jährige Mutter dürften dem Stadtoberhaupt in diesem Punkt widersprechen.

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