In Rosenheim fehlen 480 Kita-Plätze

von Redaktion

Die Prognose ist ernüchternd: In Rosenheim fehlen für das kommende Kita-Jahr 479 Plätze – und das, obwohl die Stadt den Ausbau in den vergangenen Jahren durchaus vorangetrieben hat. Wie konnte das passieren? Und wie soll es jetzt weitergehen?

Rosenheim – Ihren Optimismus hat Sabine Hilger nicht verloren. Obwohl sie – zumindest mit Blick auf die Zahlen – allen Grund dazu hätte. „Wir haben zu wenig Plätze und zu wenig Kita-Personal“, sagt die Leiterin des Amtes für frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung während der Sitzung des Ausschusses für Kinder, Jugendliche und Familien. Insgesamt fehlen für das kommende Kita-Jahr 479 Plätze. 215 bei den unter Dreijährigen, 264 bei den Kindern, die über drei Jahre alt sind. „Der Umstand ist nicht befriedigend. Wir werden alles tun und schauen, was geht“, ergänzt Hilger.

Sprachlosigkeit unter den Stadträten

Es sind Zahlen, die bei dem einen oder anderen Stadtrat für Sprachlosigkeit gesorgt haben. Auch, weil das Gutachten, das auf Wunsch der Stadt vom Institut für Sozialplanung, Jugend- und Altenhilfe, Gesundheitsforschung und Statistik (SAGS) erstellt wurde, eigentlich etwas anderes sagt. Dieses prognostizierte für das kommende Jahr ein Defizit von 130 Kindergarten-Plätzen und 35 Krippen-Plätzen. Das Problem bei den Kindergartenplätzen: Aufgrund des Fachkräftemangels können 125 der vorhandenen Plätze nicht genutzt werden. Hinzu kommen 50 ukrainische Kinder, die einen Platz benötigen und nicht Teil des Gutachtens waren. Auch habe es heuer etliche Online-Anmeldungen von Eltern gegeben, die vorhaben, nach Rosenheim zu ziehen. Bisher mussten Eltern mit ihren Kindern persönlich bei den Kitas zur Anmeldung erscheinen. „Wir hatten sogar eine Anmeldung aus Norwegen“, sagte Michael Keneder, Dezernent für Schule, Sport, Kultur, Soziales und Jugend.

Und auch bei den Krippenplätzen stimmen die prognostizierten Zahlen nicht. „Viele Kinder waren bei der Prognose noch nicht geboren“, sagt Keneder. Die weiteren Gründe müssten eruiert werden, Fakt sei aber, dass sich die Lebensbedingungen vieler Familien „deutlich verändert haben“. „Wir werden wohl auch unsere vom Jugendhilfeausschuss festgelegte Bedarfsquote von derzeit 45 Prozent anheben müssen“, sagt Keneder.

Insgesamt haben heuer 1180 Eltern ihren Bedarf online angemeldet. „Am ersten Tag waren bis Mittag bereits 320 Kinder angemeldet, am zweiten Tag waren es bereits 694 angemeldete Kinder“, heißt es aus dem Rathaus. Komplikationen hat es laut Sabine Hilger keine gegeben. Lediglich 50 Anfragen erreichten das Amt für frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung – überwiegend um die Bedarfsmeldung zurückzusetzen und nochmal neu anzumelden.

„Um die Pfingstferien herum soll eine Neuinformation an die Eltern rausgehen, die noch keine Zusage bekommen haben“, sagte Hilger. Zwar werden keine Absagen verschickt, trotzdem werde den Eltern deutlich mitgeteilt, dass aufgrund der Personalsituation noch keine Zusage möglich sei. „Bis September kann sich aber noch einiges tun“, sagte Hilger. So seien sie und ihre Mitarbeiter im Moment damit beschäftigt zu schauen, „wo es Puffer gibt“.

Sie erinnerte daran, dass es aufgrund der Personalnot durchaus freie Räume in den bestehenden Kindergärten gebe. „Wir werden offensiv ein Trägergespräch initiieren und auch in die Sozialräume gehen und uns gemeinsame Lösungen stadtweit überlegen“, erklärte sie während der Sitzung. Vorstellbar sei beispielsweise, die vorhandenen Räume zu nutzen, um dort Spielgruppen unterzubringen. Dadurch könnten Eltern zumindest teilweise entlastet werden. „Und sobald das fachliche Personal vorhanden ist, werden wir umswitchen in eine ordentliche Gruppe“, ergänzte Keneder. Denn der Stadt seien neben der Betreuung auch Bildung und Erziehung wichtig.

Des Weiteren soll überlegt werden, an welchen Standorten weitere Kinder aufgenommen werden könnten. Auch mit Blick auf die Integrationskinder, für die mehrere Plätze berechnet werden. „Das kann aufgrund der Personalsituation natürlich nicht überall passieren. Aber an der ein oder anderen Stelle kann es sein, dass wir so noch Plätze generieren können.“

Ein „Joker“ sei zudem die Tagespflege. Im Moment würden Besichtigungen von zwei Gebäuden stattfinden, die für eine solche Einrichtung in Frage kämen. Hierdurch könnten weitere Plätze geschaffen werden. „In einem dieser Gebäude könnten wir auch Drei- bis Vierjährige unterbringen“, ergänzte Hilger.

Stadträtin Elisabeth Jordan (SPD) lobte diese Idee. Sie hinterfragte, ob es fachlich gut sei, die Gruppen, in denen sich Integrationskinder befinden, zu vergrößern. „Nicht jedes Integrationskind ist gleich. Ich würde diese Entscheidung den Trägern überlassen“, antwortete Hilger. Sonja Gintenreiter, Fraktionsvorsitzende der Grünen, erinnerte daran, dass sich die Eltern in einer „absoluten Zwickmühle“ befinden und zeitnah wissen müssten, wie es weitergeht. Sie hinterfragte, ob größere Betriebe beispielsweise eine Kinderbetreuung anbieten und so zur Entlastung der Situation beitragen könnten. Zudem müsse die Stadt darüber nachdenken, wie zusätzliches Personal gewonnen werden könne. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an den Antrag ihrer Fraktion von vor zwei Jahren. Darin sei es unter anderem darum gegangen, die Arbeitsplätze für Fachkräfte in den Kitas attraktiver zu gestalten. Sei es durch ein höheres Gehalt, ein Jobticket, kostenfreies Mittagessen oder aber durch vergünstigten Wohnraum.

Höheres Gehalt
„schwierig“

Während das Thema Wohnraum bereits aufgegriffen wurde, steht die Stadt den anderen Punkten eher kritisch gegenüber. So sei ein höheres Gehalt aufgrund der tarifrechtlichen Strukturen schwierig. Ein kostenloses Mittagessen anzubieten, koste die Stadt allein für die städtischen Kitas 200000 Euro jährlich. Ein entsprechender Vorschlag zum Jobticket soll den Stadträten zeitnah unterbreitet werden.

Zudem wurde beschlossen, dass eine Verwaltungskraft für die städtischen Kitas eingesetzt wird, welche die Leitungen entlasten soll. Laut Silke Deschle-Prill, Leiterin der Fachakademie für Sozialpädagogik, gibt es mehr Ausbildungen zum Erzieher als noch in den vergangenen Jahren. „Die Nachfrage in diesem Ausbildungsbereich steigt schon seit zehn Jahren stetig an und das bei grundsätzlich sinkenden Absolventenzahlen“, sagt sie. Heißt: Der Beruf ist durchaus attraktiv, allerdings steigen viele früher aus.

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