Rosenheim – Spenden auch der OVB-Leser machten es möglich: Das erste inklusive Wohnhaus in Rosenheim ist jetzt eingeweiht worden. Seit September leben dort neun Studenten und Menschen mit Behinderung in einer WG.
„Das haben wir alle zusammen gebacken“, sagt Nina Weinzierl (21) und deutet auf die vielen Tische voller Gebäck und Kuchen. Nina ist gelernte Hauswirtschafterin, liebt das Kochen und lebt seit etwa neun Monaten im Winkl, der ersten inklusiven WG Rosenheims.
Wie eine
kleine Familie
Mit ihr zusammen leben acht weitere Menschen in dem Haus, Studenten und Menschen mit Behinderung. Jana Wünsch (22) und Johanna Rinser (20) sind zwei von Ninas Mitbewohnern. „Wir sind wie eine kleine Familie“, sagt Johanna. Das Zusammenleben finde auf Augenhöhe statt.
„Es ist viel entspannter, als sich manche Leute das vorstellen.“ Nina und ihre Mitbewohner haben all die Tische voll Gebäck nicht vergebens gebacken: Neun Monate nach dem Einzug fand jetzt die offizielle Einweihungsfeier des Winkl statt.
Winkl steht für „Wohnen Inklusiv“ und wurde von der OVB-Weihnachtsaktion mitfinanziert. Ursprünglich war die Idee vom Gemeinsam Leben Lernen (GLL) München inspiriert, sagt Thomas Bacher, Leiter des Katholischen Jugendsozialwerks (KJSW) Rosenheim.
„Gleichzeitig war die Wohnungsnot unter Studenten ein Thema. Und so dachten wir uns: Lass uns ein Projekt starten, von dem beide etwas haben.“
Das KJSW hat das Projekt zusammen mit der Paula-Schamberger-Stiftung realisiert. Anfang September 2022 war das Haus fertig und die ersten Bewohner zogen ein – darunter Nina und Jana. „Das Konzept ist auf Selbstverantwortung aufgebaut, und so sollte ein normales, inklusives Leben möglich werden“, sagt Berthold Wübbeling, Vorstand der KJSW, in seiner Einweihungsrede. Ganz nach dem Modell des GLL, dass „Menschen mit und ohne Behinderung zusammenleben. Und selbst entscheiden, wie sie ihr Zusammenleben gestalten.“ Nina gefällt es sehr gut in der WG. „Ich fühle mich von den Studenten sehr unterstützt.“
Jeden Tag besorge ein Duo aus Student und Klient – so nennen sich die beiden WG-Gruppen – den Haushalt, bei gutem Wetter gehe die Gruppe manchmal spazieren, an den See zum Beispiel, oder spielt Minigolf. „Trotzdem habe ich mein Zimmer als Rückzugsort, wenn es mir zu viel wird.“ Tagsüber arbeitet Nina bei einer Kita als Pflegerische Hauswirtschaftskraft. „Wenn wir merken, dass jemand Ruhe braucht, dann nehmen wir natürlich Rücksicht“, sagt Jana.
Es seien auch zwei Betreuer für die WG zuständig, die am Nachmittag vorbeischauen und helfen. „So richtig viel Leben ist in der WG eh erst um 17 Uhr.“ Dann treffen sich die Bewohner nach Arbeit und Uni unten, zum gemeinsamen Kochen, Spielen und Reden. Jana studiert Innenarchitektur an der TH Rosenheim, auf der Suche nach einer WG ist sie auf das Inklusionsprojekt Winkl gestoßen.
„Ich hatte schon vorher Berührungen mit sozialen Berufen“, sagt sie und erzählt von ihrem Bundesfreiwilligendienst und ihrem Nebenjob als Einzelbetreuerin, den sie drei Jahre lang ausfüllte. „Das lag also sowieso schon in meinem Interessensgebiet.“ Auch Johanna kennt sich im sozialen Bereich aus – sie studiert angewandte Psychologie.
Selbstverständliches
Miteinander
„Inklusion im Wohnen ist sehr wichtig“, sagt Hans Loy, ehemaliger Bürgermeister von Prutting, der heute im Arbeitskreis Inklusion tätig ist. „Man muss sich täglich treffen können, dann wird der Umgang mit Menschen mit Behinderung auch selbstverständlich.“ Und das zeige sich sehr gut in der neuen, inklusiven WG. Jana und Johanna sind sehr interessiert daran, mehr über die Behinderungen ihrer Mitbewohner zu lernen.
Unter anderem besuchen die beiden Vorträge, die speziell über diese Behinderungen informieren – um ihren neuen Freunden eine bessere Unterstützung zu sein.