Der Wächter über die Grenzen

von Redaktion

Seit Jahrhunderten hüten sie die Grenzen der Stadt: die Feldgeschworenen. Beim Bau einer neuen Straße oder eines Hauses unterstützen sie die Vermessungsämter beim Erfassen der richtigen Grundstücksgrenzen. Und Rosenheim hat nun einen neuen Wächter – mit einer großen Besonderheit.

Rosenheim/Pang – Florian Gilg hat eine wichtige Aufgabe – und zwar für den Rest seines Lebens. Der 49-jährige Panger wacht ab sofort über die Grenzen von Rosenheim. Zumindest über die im Südwesten der Stadt. Gilg ist der neueste Feldgeschworene für Rosenheim. Damit setzt er eine über 500-jährige Tradition in Bayern fort.

Ältestes
Ehrenamt

Das Ehrenamt des Feldgeschworenen gibt es dem Bayerischen Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung zufolge schon seit dem 13. und 14. Jahrhundert. Damit ist es das älteste kommunale Ehrenamt im Freistaat. Die Aufgaben der Feldgeschworenen sind jedoch seit dem Mittelalter gleich geblieben: Sie setzen Grenzsteine, um Grundstücksgrenzen zu kennzeichnen. Und kontrollieren, dass diese eingehalten werden. Zudem vermitteln sie in Grenzstreitigkeiten und unterstützen die zuständigen Vermessungsbehörden. „Und das ein Leben lang“, sagt Gilg am Telefon. Denn in das Amt des Feldgeschworenen werde man auf Lebenszeit berufen.

Insgesamt gebe es in Rosenheim derzeit sechs Feldgeschworene, teilt ein Pressesprecher der Stadt mit. Je einer für die Stadtteile Aising, Happing, Westerndorf und Rosenheim selbst. Einzig Pang ist davon eine Ausnahme. Dort gibt es zwei Feldgeschworene: Florian Gilg und seinen Vater Sebastian Gilg, der das Amt seit 1991 ausübt. „Er ist nicht mehr so oft im Einsatz, aber wegen ihm bin ich überhaupt zu diesem Amt gekommen“, sagt Florian Gilg.

Eigentlich ist der 49-Jährige Landwirt und führt einen kleinen Betrieb im südwestlichen Stadtteil. „Das Thema Feldgeschworener war durch meinen Vater daheim aber schon recht früh präsent“, sagt Gilg. Vor allem, da auch ein Cousin seines Vaters, Balthasar Gilg, bis zu seinem Tod ein Feldgeschworener von Rosenheim war.

„In unserer Familie haben es eben schon ein paar gemacht“, sagt der Panger und lacht. Und so sei auch er immer wieder gefragt worden, ob er nicht irgendwann für seinen Vater übernehmen wolle. Dies hänge damit zusammen, dass die aktiven Feldgeschworenen ihre Nachfolger selbstständig suchen und bestimmen.

Ausüben könne diese Tätigkeit jedoch nicht jeder. „Das Amt des Feldgeschworenen erfordert ein hohes Maß an Vertrauenswürdigkeit“, sagt der Sprecher der Stadt. Wie vertrauensvoll, zeigt die Tatsache, dass jeder neue Feldgeschworene mit dem Schwur auf das Grundgesetz und die Verfassung des Freistaates Bayern vereidigt wird.

Zudem sollten Feldgeschworene – die mindestens 18 Jahre alt und seit drei Monaten in der Gemeinde leben müssen – Einsatzbereitschaft, Flexibilität und Ortskenntnis mitbringen. An der soll es bei Florian Gilg nicht scheitern. „Ich kenn viel von Pang und weiß, wo die meisten ihre Grundstücke und Felder haben“, sagt er. Und auch Grundkenntnisse der Vermessung habe er. „Nach dem Landwirt habe ich noch Maurer gelernt, da muss man auch mal Baustellen vermessen.“

Aus seinen beiden Ausbildungen nahm Gilg noch etwas anderes mit, das er für das Ehrenamt braucht: Fitness. „Wenn zum Beispiel eine neue Straße wie die Westtangente gebaut wird, musst du schon einige Kilometer rauf und runter rasen. Da musst fit sein“, sagt der Landwirt. Und das zu jeder Jahreszeit. Bei Wind und Wetter.

Bisher habe Gilg seit der Vereidigung jedoch noch keinen Einsatz gehabt. „Wenn es so weit ist, teilt mir das Vermessungsamt einen Treffpunkt mit und dann geht es los.“ Wo Gilg dann nach den Grenzsteinen graben muss, verraten ihm unter anderem seine Aufzeichnungen. „Da ist es von Vorteil, dass der Vater das schon über 30 Jahre macht. Da gibt’s schon die ein oder andere Notiz“, sagt Gilg und lacht. „Der hat sich auch dementsprechend über meine Wahl gefreut, da er immer gesagt hat, dass er mit 80 Jahren ganz aufhört. Jetzt ist er 79.“ Zu manchen Einsätzen will Gilg seinen Vater Sebastian dennoch mitnehmen. „Es gibt Bereiche in Pang, da kennt er einfach jeden Meter.“ Was das geheime Zeichen – das sogenannte Siebenergeheimnis – der Familie Gilg in Pang ist, will der Landwirt hingegen nicht verraten.

Genaue Lage
kennzeichnen

Mit diesen besonders geformten Gegenständen, zum Beispiel aus Ton, Porzellan oder Glas, die um die Grenzsteine herum platziert werden, kennzeichnen Feldgeschworene deren genaue Lage. Wenn diese geheime Anordnung der Zeichen verändert wurde, war es meist ein Indiz dafür, dass die Grenzen manipuliert worden sind.

„So oft gibt es die geheimen Zeichen heute aber nicht mehr“, berichtet Gilg. Mittlerweile gebe es genaue GPS-Daten der Grenzen, und auch beim Vermessen habe sich einiges getan. „Es wird viel Lasertechnik eingesetzt und keine Maßbänder mehr wie früher“.

Florian Gilg freut sich trotzdem auf sein neues Amt. „Das Schöne daran ist, dass man überprüfen kann, dass alles seine Richtigkeit hat.“

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