Rosenheim – Ganz still war es zu Beginn der Kundgebung für Israel, die am Sonntag am Salzstadel in Rosenheim stattfand. Viele Menschen hatten sich zu der von der Evangelisch-Freikirchlichen Baptistengemeinde und der Brothaus-Kirche im Aicherpark organisierten Veranstaltung eingefunden, um ihre Solidarität mit Israel zu zeigen. Leo Hornedo, einer der Organisatoren, bat anfangs um eine Schweigeminute, um den Opfern zu gedenken, die durch die Attacken der Hamas ums Leben gekommen waren. Spürbar betroffen kamen die Teilnehmer der Kundgebung, unter ihnen viele ältere Menschen, aber auch Familien mit Kindern.
Mit „Schalom“ begrüßte kurz darauf Ludwig Spaenle die knapp 150 Besucher. „Judenhass ist wieder auf unseren Straßen”, sagte der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, der zur Kundgebung nach Rosenheim gekommen war.
NS-Vergangenheit in
Rosenheim verpflichtet
„Das ist eine Kundgebung für Israel, für das ganze Leid, das dort passiert ist“, erklärte Gaby Hornedo, die zusammen mit ihrem Mann die Veranstaltung organisiert hatte. Das Paar habe Freunde in Israel und so den Schmerz hautnah miterlebt, berichtete sie. Nachdem das Paar von einer Kundgebung am Münchner Odeonsplatz gehört hatten, seien sie sofort der Meinung gewesen, dass es so eine Veranstaltung auch in Rosenheim geben müsse. Gerade Rosenheim habe eine massive NS-Vergangenheit, betonte eine Teilnehmerin.
Hergard Hänel besuchte die Kundgebung, um Solidarität mit Israel zu bezeugen. „Gerade wir in Rosenheim haben es nötig, die Wahrheit deutlich auszusprechen und dafür gerade zu stehen“, sagte sie. Für Israel wünsche sie sich Gottes Segen und das Allerbeste für das Land.
Dass aktuell Judenhass und Antisemitismus in Deutschland wieder sehr präsent seien, betonten fast alle Redner, die sich am Salzstadel solidarisch äußerten. Die Reden wurden immer wieder durch Applaus unterbrochen und sorgten für breite Zustimmung im Publikum.
Unter den Gästen waren auch bekannte Gesichter aus der Politik. So zeigte sich unter anderem Daniel Artmann, Rosenheims Zweiter Bürgermeister, bestürzt über die Bilder aus deutschen Städten, in denen die Taten der Hamas gefeiert würden. „Ungezügelter Antisemitismus bricht sich Bahn“, sagte er und betonte, dass sich dieser nicht nur auf das rechte politische Milieu beschränke. Sein persönlicher Platz sei an der Seite des Staates Israels und an der Seite aller Juden, bekräftigte Artmann.
Auch Landrat Otto Lederer hob hervor: „Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz.“ Er erzählte von der langjährigen Freundschaft, die zwischen der israelischen Stadt Beer Sheva und dem Landkreis Rosenheim bestehe.
„Wir haben nicht den Glauben daran verloren, dass wir eines friedlichen Tages unseren gemeinsamen Schüleraustausch fortsetzen“, sagte Lederer. Man wisse natürlich auch um die Opfer in der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und die fatale humanitäre Situation der Menschen dort. Trotzdem sei der Angriff der Hamas nicht zu rechtfertigen. „Wir stehen fest zum jüdischen Leben in Israel, aber auch in Deutschland, in Bayern und bei uns in Stadt und Landkreis Rosenheim“, so Lederer.
„Wir müssen
Flagge zeigen“
Der Pfarrer der Christkönig-Kirche in Rosenheim, Sebastian Heindl, wies in seiner Rede darauf hin, dass auch Jesus Jude gewesen sei. „Das dürfen wir nicht vergessen“, so Heindl. Er sei stolz darauf, in einem Land zu leben, in dem Menschen mit unterschiedlichen Glaubensvorstellungen in Freiheit und Würde leben. „Das heißt aber auch, dass wir als Christen jeden Menschen und jedes System, das das bedroht, verurteilen.“
Dass Jesus Jude gewesen sei, ist auch Dieter Klee wichtig. Er kam extra aus Wasserburg nach Rosenheim zur Kundgebung und betonte: „Das Christentum hat seine Wurzel im Judentum.“ An der Veranstaltung teilzunehmen sei ihm ein Herzensanliegen. „Wir müssen als Christen aufstehen und in diesem Staat Flagge zeigen“, sagte er und hob die israelische Fahne, die er, wie viele andere Teilnehmer auch, mitgebracht hatte.
„Die Sicherheit und Existenz Israels ist Staatsräson Deutschlands“, bekräftigte auch Daniela Ludwig, Bundestagsabgeordnete der CSU. Sie habe selbst mit Betroffenen und Angehörigen gesprochen und so plötzlich hautnah gespürt, was es heißt, als Volk Israels täglich bedroht zu sein. „Es ist unsere verdammte Pflicht, dagegen anzugehen“, sagte sie den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland betreffend. „Wir haben gedacht, nie wieder ist nie wieder – aber nie wieder ist jetzt“, so Ludwig.
Zum Credo „Nie wieder“ äußerte sich auch Abuzar Erdogan, Rosenheimer SPD-Stadtrat. So habe die Mahnung seiner Meinung nach nicht wirklich Früchte getragen. Der Antisemitismus sei nie wirklich in Gänze ausgelöscht worden, sondern in der Mitte der Gesellschaft immer noch vorhanden. „Deshalb müssen wir uns noch viel verstärkter diesem Thema widmen“, so Erdogan, denn in Deutschland dürfe es nie wieder Anzeichen für Antisemitismus und Judenhass geben.
Polizei zieht
positive Bilanz
„Wir sind in eine Routine des Gedenkens gekommen“, sagte Harald Eckert zu den Versammelten. Er ist Mitglied des Arbeitskreises „Israel, Juden, Nahost” der Evangelischen Allianz Deutschland und betonte, dass diese Routine aufrichtig sei, aber nicht mehr genüge. „Vor allen Dingen in der Beziehung zu den jüdischen Mitmenschen in unserer Region muss sich etwas verändern“, forderte Eckert.
Kurz vor Schluss tönte dann die israelische Nationalhymne durch die Innenstadt, die live mit Gitarre und Gesang gespielt wurde und bei der viele Teilnehmer mitsummten. Nach einem gemeinsamen Gebet bedankten sich die Organisatoren für das zahlreiche Erscheinen der Bürger aus Rosenheim und der Region. Die Polizei zog am Ende eine positive Bilanz: Es habe keine Zwischenfälle gegeben, auch Gegendemonstrationen seien ausgeblieben. Magdalena Aberle