Rosenheim – „Ich bin schon immer gerne an meine Grenzen gegangen“, sagt Julia Hüttinger. Die 23-Jährige aus Rosenheim ist Bodybuilderin. Wenn sie sich auf der Zielgeraden der Wettkampfvorbereitung befindet, muss sie in ihrem Alltag viel unterbringen. Dann klingelt um vier Uhr morgens schon der Wecker. Bereits vor der Arbeit geht es ins Fitnessstudio, die Mittagspause wird für einen Spaziergang genutzt. Nach dem Vollzeitjob ist noch einmal Training angesagt.
Was für Außenstehende sehr extrem scheint, ist für Hüttinger eine wertvolle mentale und körperliche Weiterentwicklung, wie sie selbst sagt. „In dieser Zeit lernt man seine persönlichen Grenzen kennen. Und auch darüber hinauszugehen“, betont die Athletin. „Ich finde es unglaublich spannend, wie man den Körper bewusst nach seinen Vorstellungen formen kann.“
Von den sozialen
Medien inspiriert
Der Traum vom Bodybuilding entwickelte sich bei ihr erst mit der Zeit. „Als Kind habe ich mehrere Sportarten ausprobiert“, erinnert sich die heute 23-Jährige. Schwimmen, Tanzen, Fußballspielen. Das habe ihr auch viel Spaß gemacht, doch sie sei schon damals am liebsten für sich selbst verantwortlich gewesen. „Team-Sportarten sind deshalb irgendwann rausgefallen“, sagt Hüttinger.
Am Anfang ging es
nur ums Abnehmen
„Am Anfang meiner sportlichen Reise ging es vor allem darum, abzunehmen“, erzählt sie. Sie habe viel Ausdauersport gemacht, trotzdem sei sie mit ihrem Aussehen nicht zufrieden gewesen. „Ich habe gemerkt, ich muss etwas verändern. Dann bin ich ins Krafttraining gerutscht“, so Hüttinger. Dazu hätten sie vor allem Beiträge aus den sozialen Medien inspiriert.
Um den größtmöglichen Erfolg zu erzielen, machte sie sich auf die Suche nach einem Trainer – und stieß dabei auf die Rosenheimerin Franziska Lohberger. Gemeinsam mit ihr bereitete sie sich auf die Teilnahme an Bodybuilding-Wettbewerben vor. Den Ersten bestritt sie schließlich im April 2023.
Franziska Lohberger, ebenfalls Bodybuilderin, ist von der Nachwuchssportlerin begeistert. „Julia kam Anfang 2022 zu mir ins Training, mit dem Wunsch, Wettkampf-Athletin zu werden“, erzählt sie. Damals erst 20 Jahre alt, legte Hüttinger bereits „eine sehr fleißige Arbeitsmoral an den Tag.“ Seitdem habe sie sich in vielerlei Hinsicht immens stark weiterentwickelt.
Am Wettkampftag will sich Hüttinger dann bestmöglich präsentieren. Sie wird gestylt, geschminkt, die Haare werden gemacht. „Außerdem wird man mit brauner Farbe angemalt. Dadurch kann man die Muskulatur besser zur Geltung bringen“, erklärt die Sportlerin. Dann heißt es warten bis zum großen Auftritt.
Dafür empfindet sie vor allem Vorfreude. „Beim Wettkampf kann man endlich das präsentieren, auf das man so viele Monate hingearbeitet hat“, sagt Hüttinger. Das sei ein unglaublich schönes Gefühl und erfülle sie mit großem Stolz. „Es ist aber auch ein subjektiver Sport“, weiß sie. Jeder Richter habe seinen eigenen Geschmack. Genau deshalb dürfe man sich auch nicht zu viel mit anderen vergleichen. Stattdessen liege der Fokus darauf, „sich selbst zu schlagen.“
Darauf arbeitete Hüttinger monatelang hin. Leicht ist das weder für den Geist noch für den Körper. „Mehrere Monate vor den Wettkämpfen habe ich mit meiner Diät begonnen“, sagt sie. In dieser Zeit sei man in einem Kaloriendefizit, esse also weniger als der Körper verbraucht. Wie viele Kalorien man zu sich nehmen darf, wird genau vorgegeben. Dabei ist es für Hüttinger wichtig, dass „das, was man isst, schmeckt““
So könne sie auch diese Phase gut überstehen. Dennoch brauche sie viel Zeit für sich, habe weniger Energie für andere Dinge. „Man redet nicht mehr so viel, ist in sich gekehrter“, erklärt Hüttinger. Mit dem sozialen Umfeld müsse man kommunizieren, dass diese Phase auch wieder vorbeigehe.
Familie und Freunde stehen in dieser Zeit aber trotzdem hinter ihr. „Die finden das alle tatsächlich super spannend“, sagt Hüttinger und lacht. Doch ihre Eltern machen sich auch mal Sorgen. „Sie merken natürlich, dass man ruhiger wird und ab einem gewissen Punkt auch leidet“, erklärt die 23-Jährige. Dennoch habe man ihr immer den Rücken freigehalten und sie bestmöglich unterstützt.
Beruflich macht Hüttinger etwas ganz anderes. „Ich bin im Personalwesen tätig“, erklärt sie. Darüber sei sie auch ganz froh. „Es ist auch schön, einen gewissen Ausgleich zu haben, weil der Sport schon so ein großer Teil des Lebens ist.“ Sich hauptberuflich auch noch damit zu beschäftigen, wäre ihr vermutlich zu viel, wie sie selbst sagt.
Saison erfolgreich
abgeschlossen
Die harte Arbeit aber zahlt sich aus. Im Dezember 2024 belegte Hütttinger bei der Frauenweltmeisterschaft in Japan den vierten Platz. Auch den Titel der deutschen Meisterin konnte sie bereits ergattern. „Die Saison hat mich stark an meine Grenzen gebracht. Aber es hat sich alles gelohnt“, betont die Rosenheimerin.
Obwohl ihre Faszination für den Sport groß ist, versteht sie auch kritische Stimmen. Dass beim Bodybuilding der Vergleich mit anderen eine große Rolle spielt, könne schnell zu einem verzerrten Selbstbild führen. Deshalb müsse man für diesen Sport psychisch sehr gefestigt sein. Auch die Diäten können dem Körper zu schaffen machen. So verlieren beispielsweise Frauen in der Vorbereitung auf die Wettkämpfe fast immer ihren Zyklus. „Man muss sich bewusst machen, dass das nur eine Phase sein darf“, erklärt die Athletin. Nach der intensiven Zeit müsse man die Ernährung wieder entsprechend umstellen.
Das Ziel ist
die Profiliga
Deshalb steht für Hüttinger jetzt eine längere Pause an. Den Kopf freibekommen, Erholung und mehr Lebensqualität ist der Plan. Auch ihrem Umfeld, das sie immer unterstützt hat, möchte Hüttinger etwas zurückgeben. Doch mit ihrer sportlichen Karriere ist es noch lange nicht vorbei. „Ich möchte mich weiterhin verbessern, an meinen Schwachstellen arbeiten“, betont sie. Außerdem spielt Hüttinger mit dem Gedanken, 2026 wieder in die Wettkämpfe zu starten. „Auch im Bodybuilding gibt es eine Profiliga“, erklärt sie. Genau dort will die Athletin unbedingt irgendwann mitmischen.