Irschenberg/Rosenheim – Sie hat als Biathletin beinahe alles gewonnen, ehe sie bereits im Alter von 25 Jahren ihre Karriere beendet hat: Magdalena Neuner (38) aus Wallgau (Landkreis Garmisch-Partenkirchen), die unter anderem zwei olympische Goldmedaillen sowie zwölf Weltmeistertitel errungen hat. Mittlerweile kümmert sich Neuner nicht nur um ihre drei Kinder, sondern beispielsweise als Schirmherrin der „Peak Performer Stiftung“ auch darum, dass Kindern und Jugendlichen ein neues Leistungsprinzip vermittelt wird, in dem nicht Druck, sondern die Freude an Leistung erzeugt werden soll. Am morgigen Donnerstag lädt die Stiftung, die einst von 40 Größen aus Sport und Wirtschaft gegründet worden ist, zum „Peak Talk – Leistung neu denken“ ein, bei dem unter anderem die Frage diskutiert werden soll, ob Leistungsorientierung ausgedient hat. Wie sie ihren Kindern den Spaß an Leistung vermittelt, ob der Leistungsdruck maßgeblich für ihr Karriereende gewesen ist und was sie von einer Bewerbung Münchens um die Olympischen Spiele hält, hat Neuner im Vorfeld des „Peak Talks“, an dem sie selbst teilnehmen wird, im OVB-Interview verraten.
Die Phrasen „Höher, schneller, weiter“ und „Dabei sein ist alles“ werden in Hinblick auf Sportereignisse gerne bemüht. Welche der Phrasen lag Ihnen als Biathletin näher?
Ich war definitiv eher der Typ für „höher, schneller, weiter“ – allerdings auf meine eigene Art. Mich hat immer interessiert, wie weit ich gehen kann und was in mir steckt. Es ging mir dabei nie nur um Rekorde, sondern um das Gefühl, über mich hinauszuwachsen. Gleichzeitig habe ich gelernt, dass Erfolg ohne Freude nichts wert ist. Am Ende war es wohl eine Mischung aus beidem.
Viele Menschen beklagen, dass publikumswirksame Sportarten mehr und mehr kommerzialisiert werden. Ist das aus Ihrer Sicht ein Grund dafür, dass dort der Leistungsdruck gegenüber den Sportlern stärker steigt?
Ja, das spielt auf jeden Fall eine Rolle. Je mehr Geld, Medien und Erwartungen im Spiel sind, desto größer wird der Druck – von außen, aber auch von innen. Man will den eigenen Ansprüchen gerecht werden und gleichzeitig allen um sich herum. Viele junge Sportler unterschätzen das anfangs. Wichtig ist, sich selbst treu zu bleiben und nicht nur für andere zu funktionieren.
Sie selbst haben im Alter von 25 Jahren, vergleichsweise also recht früh, Abschied vom Profisport genommen. Wie sind Sie selbst mit Leistungsdruck zurechtgekommen – und war dieser Druck einer der Gründe für Ihr Karriereende?
Ich habe früh gelernt, mit Druck umzugehen, aber er war natürlich immer da. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich gespürt habe: Ich will nicht nur funktionieren, sondern auch leben. Der Leistungsgedanke war nie das Problem – eher die ständige Erwartung, perfekt zu sein. Ich wollte den Sport lieben und nicht von ihm bestimmt werden. Das war einer der Gründe, warum ich aufgehört habe.
Als Schirmherrin der „Peak Performer Stiftung“ setzen Sie sich dafür ein, bei Kindern und Jugendlichen Freude an der Leistung zu wecken, aber ohne Druck zu erzeugen. Wie gelingt Ihnen das bei Ihren eigenen Kindern?
Ich versuche, meinen Kindern zu zeigen, dass Leistung etwas Schönes ist, wenn sie aus Freude entsteht. Sie sollen Dinge ausprobieren, Fehler machen dürfen und selbst spüren, was sie begeistert. Bei uns gibt es Lob eher für den Einsatz als für das Ergebnis. Kinder brauchen Ermutigung statt Vergleich. Und sie sollen wissen: Es ist völlig in Ordnung, wenn mal etwas nicht klappt.
In puncto Leistungsdruck ist das familiäre Umfeld die eine, das schulische Umfeld die andere Seite: Wie empfinden Sie als Mutter den Leistungsdruck, der innerhalb der Schule vermittelt wird?
Ich finde, der Druck in der Schule ist heute teilweise zu groß – gerade für Kinder, die sich noch entwickeln dürfen. Noten sind wichtig, aber sie sagen nicht alles über ein Kind aus. Ich wünsche mir, dass mehr Wert auf Neugier, Teamgeist und Kreativität gelegt wird. Lernen sollte Spaß machen, nicht Angst erzeugen. Leistung darf wachsen, sie muss nicht erzwungen werden.
Bei den Olympischen Spielen gilt für die Mehrzahl der Teilnehmer sicherlich das Motto „Dabei sein ist alles“. Wie stehen Sie zu einer Bewerbung Münchens um die Olympischen Spiele?
Ich würde mich sehr darüber freuen. Olympia ist ein unglaubliches Erlebnis – für Sportler, Zuschauer und die ganze Region. Zum einen können die Olympischen Spiele München und der ganzen Region einen Aufschwung geben. Wenn es nachhaltig umgesetzt wird, kann so ein Event Menschen außerdem verbinden und inspirieren. Und genau das ist der Geist, den Sport eigentlich haben sollte.
Mathias Weinzierl