Trotz Herzschlag tot – Diagnose Hirntod

von Redaktion

Wenn alle Funktionen des Gehirns unwiderruflich verloren gehen, spricht man vom Hirntod. Auch am Romed-Klinikum in Rosenheim wird diese Diagnose manchmal gestellt. Wie das abläuft – und warum Patienten trotz festgestelltem Hirntod noch lebendig aussehen können.

Rosenheim – Er ist selten, doch er kommt vor: der Hirntod. Diese Diagnose wird gestellt, wenn alle Funktionen des Gehirns ausfallen, unumkehrbar. Der Körper kann nicht mehr alleine atmen und muss dabei unterstützt werden. Dadurch arbeiten allerdings die Organe weitgehend normal weiter. Statt einer kalten, regungslosen Person haben Angehörige oft einen Menschen vor sich, der noch lebendig aussieht – und sich auch so anfühlt.

Mindestens zwei
Ärzte sind beteiligt

„Für Angehörige ist diese Situation natürlich belastend“, sagt Florian Heinz, Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin am Romed-Klinikum Rosenheim. Er weiß, dass der Tod normalerweise mit Kälte und Leblosigkeit assoziiert wird. Beides tritt nach einem Hirntod nicht ein, da der Patient durch Maschinen am Leben gehalten wird. So sei etwa noch der Puls zu fühlen, der Brustkorb hebe und senke sich aufgrund der künstlichen Beatmung.

„Das Besondere an der Hirntodfeststellung ist, dass die Organfunktion dabei noch erhalten ist, was dann auch, sofern der Patient zu Lebzeiten eingewilligt hat, eine Organentnahme ermöglicht“, so Heinz weiter. Der Hirntod ist ihm zufolge die einzige Möglichkeit, um nach dem Tod Organe zu entnehmen.

Genau das bereitet aber vielen Menschen Sorgen, wie Dr. Martin Dunker, Oberarzt auf der operativen Intensivstation, weiß. Manchmal hätten sie Angst, dass sie schlechter behandelt werden, wenn sie einen Organspendeausweis besitzen und ihre Organe zur Verfügung stellen. „Das ist sicher nicht der Fall“, betont Dunker. Es gebe strenge Kriterien, die bei der Diagnose des Hirntods eingehalten werden müssen.

Und deshalb kann es mehrere Stunden und sogar Tage dauern, bis der Hirntod endgültig diagnostiziert wird. „Der Ablauf der Hirntodfeststellung ist in Deutschland genau geregelt und in einer Richtlinie festgeschrieben“, erklärt Florian Heinz, der auch Transplantationsbeauftragter ist. Abhängig von der Ursache sei eine Feststellung rein nach klinischen Kriterien möglich. „Dabei werden der Ausfall der sogenannten Hirnstammreflexe und das Fehlen eines Atemantriebs, der sogenannte Apnoe-Test, überprüft.“ Bei manchen Arten der Hirnschädigung oder bei bestimmten Altersgruppen – etwa Kindern unter einem bestimmten Mindestalter – sei immer eine apparative Zusatzdiagnostik notwendig. „Zum Beispiel der Nachweis der ausgefallenen Hirndurchblutung“, so der Oberarzt. Die Diagnostik darf nur von speziell qualifizierten Ärzten erfolgen. Heinz zufolge sind das in Deutschland ein Neurologe oder Neurochirurg und ein Intensivmediziner, der in der Behandlung von Patienten mit neurologischen beziehungsweise neurochirurgischen Krankheitsbildern Erfahrung hat. „Die apparative Zusatzdiagnostik wird dann von Radiologen beziehungsweise Neurologen durchgeführt.“

Hier kommt Dr. Charlotte Rüther, Chefärztin der Neuroradiologie bei Romed in Rosenheim, ins Spiel. „Ich bin nur ein kleines Puzzlestück in der Hirntod-Diagnose“, sagt sie. Als Neuroradiologin ist sie beispielsweise für Computertomografien zuständig, auf denen das Gehirn des Patienten zu sehen ist. „Mithilfe dieser Bilder kann nachgewiesen werden, dass das Gehirn aufgrund eines erhöhten Hirndrucks nicht mehr durchblutet und folglich nicht mehr mit lebenswichtigem Sauerstoff versorgt wird“, erklärt Rüther.

Laut Oberarzt Florian Heinz wird die Diagnose Hirntod allerdings grundsätzlich selten gestellt. Am Romed-Klinikum in Rosenheim kommt es ihm zufolge etwa zwei- bis viermal im Jahr vor. „Häufiger sind schwere Hirnschädigungen, die zwar ein Behandlungsende nach sich ziehen, aber nicht zum Hirntod führen“, erklärt Heinz. In diesen Fällen werde die Behandlung des Patienten „im Sinne einer Terminalbegleitung beendet“. Der Patient wird also palliativ versorgt. „Es ist dann allerdings keine Organspende möglich“, betont Heinz.

Grundsätzlich bestehe bei allen Patienten, die ins Krankenhaus kommen, erst einmal der Anspruch, zu helfen. „Sollte sich bei einem Patienten dann abzeichnen, dass eine so schwere Hirnschädigung vorliegt, dass der Hirntod eintreten könnte, wird frühzeitig das Gespräch mit den Angehörigen gesucht“, erklärt der Oberarzt. Dann werde der Wille bezüglich einer Organspende eruiert. „Sollte keine Einwilligung vorliegen, kann keine Entnahme erfolgen“, betont er.

Gibt es eine Einwilligung zur Organspende und der Hirntod tritt ein, behandeln die Ärzte den Verstorbenen weiterhin auf der Intensivstation. Durch „intensivmedizinische Maßnahmen“ wird versucht, die Organe am Laufen zu halten. Anschließend finden Untersuchungen statt, die Unterlagen werden gesichtet und Angehörige werden zu relevanten Vorerkrankungen befragt. Erst wenn das alles geklärt ist, können Organe entnommen werden. Ganz besonders betont Heinz: „Sollte der Hirntod nicht zweifelsfrei festgestellt werden können, wird weiterbehandelt.“ Entweder trete der Hirntod im Verlauf dann noch ein – oder nicht.

Keine Transplantationen
in Rosenheim

Steht die Diagnose allerdings fest und liegt eine Einwilligung vor, wird ein passender Organempfänger gesucht. „Dann wird der Verstorbene in den OP gebracht und die zu transplantierenden Organe können entnommen werden“, erklärt Heinz. Dabei kommen ihm zufolge spezielle Entnahme-Teams in die Klinik. „Ein Team entnimmt die Bauchorgane und ein anderes Team die Thoraxorgane (in der Brusthöhle gelegene Organe, Anm. d. Red.). Die gespendeten Organe werden dann gekühlt an ihren Bestimmungsort gebracht.“

In Rosenheim selbst finden nämlich keine Transplantationen statt, wie Heinz erklärt. „Das ist großen Transplantationszentren – in der Regel Universitätskliniken – vorbehalten“, erklärt er. Denn dafür brauche es nicht nur entsprechende Fachabteilungen. Auch die Patienten, die das Spenderorgan erhalten haben, müssen entsprechend nachbetreut werden.

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