Zu wenig Biss, zu wenig Klasse

von Redaktion

Beim 0:2 in Burghausen offenbart 1860 einen besorgniserregenden Mangel an spielerischen Mitteln

VON ARMIN GIBIS

Burghausen – Immerhin gab es einen Moment in der zweiten Halbzeit, in dem sich die Durchschlagskraft des TSV 1860 kurz andeutete. Nico Karger hatte den Ball – unabsichtlich – aus drei Metern Entfernung volley ins Gesicht des bedauernswerten Burghauseners Christoph Schulz gedonnert. So ungefähr muss es sich angefühlt haben, wenn einem einst Mike Tyson einen Schwinger an den Kopf schmetterte. Der Niederbayer ging zu Boden, wurde behandelt. Doch selbst in dieser Szene blieb Burghausen letztlich unerschütterlich. Schulz machte anschließend weiter, als sei nichts geschehen. Und da der Tabellenführer ansonsten alles andere als umwerfend aufspielte, ging Wacker mit 2:0 (0:0) als verdienter Sieger vom Platz. „Der letzte Biss, die letzte Leidenschaft hat gefehlt“, sagte Trainer Daniel Bierofka.

Der Spielverlauf war allein schon deswegen überaus verwunderlich, weil die Burghausener ihre letzten vier Spiele allesamt verloren hatten. Doch schon in der ersten Hälfte musste der starke 1860-Torhüter Marco Hiller mehrmals rettend eingreifen. Zudem tat ihm der Wacker-Akteur Tim Sulmer den Gefallen, die Kugel aus der Nahdistanz von vier Metern nicht ins leere Tor, sondern an die Latte zu hämmern. „Eine tausendprozentige Chance“, sagte Wacker-Trainer Patrick Mölzl.

So richtig ungemütlich an diesem nasskalten Novembertag wurde es für die Löwen nach dem Seitenwechsel. Christoph Buchner (53.) und Sascha Marinkovic (73./14. Saisontor) brachten den Außenseiter, 13. in der Regionalliga-Tabelle, mit 2:0 in Front. „Wir hatten einen Sahnetag erwischt“, befand Mölzl.

1860-Hauptangreifer Sascha Mölders, der zwei gute Chancen (18. und 48.) vergeben hatte, tröstete sich unterdessen mit der Phrase: „Wir können nicht jedes Spiel gewinnen. So ist Fußball.“ Als nach der Partie ein Journalist hartnäckig darauf bestand, die Sechziger hätten an der Salzach doch eine eher bescheidene Leistung geboten, wurde Mölders betont mürrisch. Seine – die fachliche Qualifikation des Reporters in Frage stellende – Reaktion: „Haben Sie überhaupt schon einmal Fußball gespielt?“ Nun, am Samstag wären wohl auch Ronaldo oder Messi als Augenzeuge unweigerlich zu dem Befund gekommen, dass der Tabellenführer doch arg enttäuschte. Selbst 1860-Präsident Robert Reisinger, eher ein Freund dezenter Töne, sah sich zu Kritik veranlasst: „Die Mannschaft wirkte überspielt, ich hätte mir mehr Aufbäumen gewünscht.“

Tatsächlich war es besorgniserregend, dass die Sechziger nicht in der Lage waren, der drohenden Niederlage mit vermehrtem Angriffsschwung zu begegnen. „Wir hätten heute noch zwei Stunden spielen können und hätten kein Tor geschossen“, sagte Bierofka. Nach dem Rückstand erspielten sich die Löwen gerade mal eine einzige Torchance, Christian Köppel (83.) kickte dabei dem dankbaren Keeper Franco Flückiger den Ball in die Hände. Ansonsten fehlte den Münchner Aktionen jede Idee und spielerische Klasse, um auf die tapferen Burghausener Druck auszuüben. Einmal mehr offenbarte sich, dass der verletzte Antreiber Timo Gebhart nicht zu ersetzen ist. Die Diskussionen um mögliche Neuverpflichtungen in der Winterpause dürften durch diese Erkenntnis neue Nahrung erhalten. Präsident Reisinger sagte zur Finanzierbarkeit: „Es gibt einen gewissen Spielraum.“

Drei der letzten fünf Spiele haben die Löwen nun also verloren. Man könnte dies als Alarmzeichen werten. Allerdings scheinen den 1860- Fans die aktuellen Rückschläge nichts anhaben zu können. Noch 20 Minuten nach Spielschluss harrten sie im strömenden Regen in der Kurve, feierten ihre bedröppelten Verlierer und gaben sich lauthals der Sangesfreude hin. Zumindest die Party-Löwen sind in dieser Saison irgendwie unschlagbar.

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