München – Sandro Wagner hätte an diesem Tag ein großes Thema sein können. Die Geschichte eines Fußballers, der früh in die Ferne zieht, weiter und weiter, spät glücklich wird und als gereifter Mann zurückkehrt, hat Potenzial. Dummerweise spielte der Neuzugang des FC Bayern beim 3:1 nur eine Nebenrolle. Erst zwölf Minuten vor Schluss trat er in Aktion, weswegen die emotionale Komponente bei der Einwechslung überschaubar blieb. Bilder seien ihm keine durch den Kopf geschossen, „nicht so wie im Rocky-Film“. Kurz genoss er seinen Moment, „dann bin ich auch schon in den ersten Zweikampf geflogen“. Dennoch verließ er die BayArena mit Freude im Herzen. Bedenke man, wo er schon war, in Duisburg und Darmstadt, und bei was für einem Klub er nun spiele, „steige ich sehr zufrieden in den Bayern-München-Bus“.
Wagners Statistendasein war Teil einer größeren Geschichte. Neben Jupp Heynckes’ Entscheidung, dem Neuen mehr Zeit zu gewähren, hing es auch mit der beeindruckenden Verfassung der Bayern zusammen. Dank ihres gut sortierten Angebots an Offensivkräften kamen sie gar nicht in die Verlegenheit, etwas überstürzen zu müssen. Ganz vorne agierte halt Thomas Müller. Der fühlt sich in Lücken und Nischen zwar wohler, hatte nach kurzer Eingewöhnung aber gute Szenen.
Wer bei einem der Spitzenklubs ohne klassischen Angreifer gewinnt, bei dem kann nicht viel im Argen liegen. Nach solchen Auftritten reden Beobachter gerne davon, dass die Mannschaft ein Zeichen an die Konkurrenz gesandt habe. „Was für eins, könnt Ihr Euch aussuchen“, bot Wagner, offenbar kein Anhänger der Zeichen-Theorie, schmunzelnd an. Die Spieler widerstanden der Versuchung, die Dinge zu überhöhen. Damit befanden sie sich auf einer Linie mit ihrem Trainer, der auf eine bodenständige Arbeitsmoral bekanntermaßen Wert legt. Konzentration, Respekt, Erfolgshunger – „das wissen die Spieler, dass ich das immer wieder einfordere“, erinnerte Heynckes.
Wenn die Bayern am Freitag überhaupt ein Signal ausgesandt haben, dann besagte es, dass dieses Team keinerlei Zeichen nötig hat. Es hat in Leverkusen einfach da weitergemacht, wo es vor der Winterpause aufgehört hatte. Mit dem Unterschied, dass die verlorene Energie nun zurück ist. Der Auftritt sah wesentlich vitaler aus als bei den drei 1:0-Siegen vor Weihnachten, aber das haben sie nicht anders erwartet. Jeder habe sehen können, „dass mit uns nicht zu spaßen ist“, berichtete Thomas Müller. „Jetzt können wir uns eine Woche darüber freuen, und dann geht die Show weiter.“
Fragen nach etwaigen Konkurrenten, die den Bayern angesichts von jetzt schon 13 Punkten Vorsprung noch bleiben, erstickte der Weltmeister im Ansatz: „Das ist nicht entscheidend. Wir machen uns über andere keine Gedanken.“ Sie bewegen sich auf ihrer eigenen Umlaufbahn durch die Liga, und wenn nichts Außergewöhnliches passiert , wird sich ihnen dort auch niemand mehr in den Weg stellen.
Zumal den Bayern bewusst ist, dass auch ihr eigenes Spiel durchaus noch Raum für Verbesserung lässt. Heynckes monierte „einfache Ballverluste“ nach dem Leverkusener Anschlusstreffer Mitte der zweiten Halbzeit, als sie ernsthaft in Schwimmen gerieten, Müller mehrere „haarsträubende Fehlpässe“ vor der Pause. Zusammenfassend bilanzierte Torwart Sven Ulreich: „Es ist noch Luft nach oben.“ Für die so genannten Verfolger ist das ein schlechtes Zeichen.