HSV: Steilpass statt Querpass

von Redaktion

Was Trainer Gisdol nach 0:1 in Augsburg auf Agenda setzt

Von Günter Klein

Augsburg – Michael Gregoritsch rief seinen Oberschenkel als Zeugen auf: „Wenn man sich den anschaut“, sagte er, „erkennt man: So oft gegrätscht habe ich noch nie.“ Die Flora des Spielfeldes der Augsburger Arena hatte auf der rechten Seite zwischen Stutzenober- und Hosenunterrand eine Heimat gefunden. Beweis erbracht: „Ein Kampfspiel war’s“, so der Österreicher vom FC Augsburg. Oder wie sein Sportchef Stefan Reuter den Mangel an spielerischen Elementen umschrieb: „Es muss auch mal ohne Spektakel gehen.“

1:0 gewann der FCA gegen den Hamburger SV, und zu den gut 90 Minuten war aus Augsburger Sicht nicht sehr viel mehr zu sagen, als dass das Resultat für eine wunderbare Tabellenkonstellation sorgte. „Wir sind happy“, meinte Kapitän Daniel Baier, „denn mit 27 Punkten haben wir zwölf Vorsprung auf den Abstiegsplatz. Hätten wir verloren, wären es nur sechs gewesen.“ So aber darf sich Augsburg, das vor der Rückrunde kein Vorbereitungsspiel hatte (im Trainingslager auf Teneriffa fand sich keine Mannschaft, gegen die man hätte antreten können), Gelassenheit leisten vor dem Auswärts-Doppel (Mönchengladbach, Köln), das der Spielplan für ihn vorsieht. Baier: „Das gibt ein gutes Gefühl.“ Nun habe man „Ruhe und Zeit“, um die Form des alten Jahres wiederzufinden. Wobei: Dafür, dass mit Alfred Finnbogason (Achillessehnenbeschwerden) ein zentraler Spieler ausfiel, war es ordentlich, was der FCA zeigte. Er hatte auch noch einen Pfostenschuss – durch Gregoritsch, der einen Schuss-Pass-Hybrid von Philipp Max abfälschte.

„Wir haben noch 16 Spiele“, so kommentierte der Hamburger Abwehrmann Mergim Mavraj die Lage. Beim HSV hat wieder der Überlebenshoffnungs-Countdown begonnen. Aktuell würde er absteigen. Direkt. Und nicht mal die Relegation erreichen. Erwischt es den ewigen Bundesliga-Teilnehmer nun wirklich mal? Und steht das übliche Krisenprogramm bevor – inklusive eines Trainerwechsels?

Markus Gisdol hatte das Pech, dass Fiete Arp, sein junger Himmelsstürmer, gegen Augsburg kurzfristig erkältet ausfiel – entsprechend wenig konnte der HSV in der Offensive ausrichten. Einen Akzent hatte der Coach zu setzen versucht, indem er den umstrittenen Nummer-eins-Torhüter Christian Mathenia aus dem Kasten nahm und die Hierarchie zugunsten des U 21-Europameisters Julian Pollersbeck (dem aber eine ausgeprägte Lebenslust nachgesagt wird) veränderte. Debütant Pollersbeck stand kurz vor Abfahrt mit einer Mütze mit der Aufschrift „Loved“ vor den Medienleuten und erklärte, „dass das Tor für Augsburg zu einem blöden Zeitpunkt fiel“. Fast mit Halbzeitpfiff durch den Südkoreaner Ja-Cheol Koo, der kein Kopfballmonster ist, aber das Kopfballduell gegen Douglas Santos gewann. Pollersbeck hielt ordentlich und bleibt die Nummer eins. „Druck“, sagt er, „hast du immer“.

„Der Druck erhöht sich“, meint Heribert Bruchhagen, der weise Vorstands-Mann des HSV. Jetzt das Heimspiel gegen Köln, den Letzten. Er will sich keine Parolen in den Mund legen lassen und weicht der Frage aus, ob eine Trainerdiskussion zu führen sei. „Die Leistung ist nicht zufriedenstellend, alle müssen sich verbessern.“ Gisdol will „zur Agenda machen, dass wir mehr Chancen produzieren“. Motto: „Steilpass statt Querpass“. An der Einstellung der Spieler wollte niemand mäkeln: Auch die Hamburger hatten Gregoritsch-Oberschenkel.

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