Slowenien verliert Protest und droht

von Redaktion

EM-Ausstieg nach Videobeweis-Drama denkbar – Lemke rückt vor Gruppenfinale in deutsches Handball-Aufgebot

von Eric Dobias und Nils Bastek

Zagreb – Punkt behalten, Abwehrchef dazu gewonnen: Nach dem abgewiesenen Einspruch der wütenden Slowenen und der Nachnominierung von Europameister Finn Lemke schalteten die deutschen Handballer in den Angriffsmodus. „Wir müssen eine Schippe drauf legen“, forderte Bundestrainer Christian Prokop vor dem nächsten EM-Duell mit Mazedonien.

Gegen den Tabellenführer der Gruppe C (4:0 Punkte) muss der Titelverteidiger (3:1) heute (18.15 Uhr/ARD) im letzten Vorrundenspiel alles auf Sieg setzen, um im Medaillenrennen zu bleiben – kann nun aber wieder auf Abwehrboss Lemke zählen. In der Nacht nach dem irren 25:25 gegen Slowenien revidierte Prokop seine vor der EM viel diskutierte Nominierung und holte den 2,10 Meter großen Hünen für Neuling Bastian Roscheck ins Team zurück. „Ich möchte dem Team mehr Körperlichkeit und Sicherheit in der Abwehr geben“, erklärte sich Prokop.

„Der Wechsel ist die völlig richtige Entscheidung. Das ist genau das, was wir vom Bundestrainer erwarten können: Fernab jeglicher Eitelkeiten das zu tun, was für die Mannschaft richtig ist“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning.

Als die Europäische Handball-Föderation den slowenischen Protest gegen die Wertung des dramatischen Spiels gestern Mittag abwies, saß Lemke bereits im Flieger von Fuerteventura über Wien nach Zagreb. Dort wurde der Abwehrstratege, der sich auf der spanischen Ferieninsel mit seinem Verein MT Melsungen auf die Bundesliga vorbereitete, am Abend im Teamhotel erwartet. „Ich habe mit Finn gesprochen. Er ist heiß und freut sich total“, berichtete Hanning.

Das überrascht den Vizepräsidenten ebenso wenig wie das EHF-Urteil: „Für mich ist die Entscheidung folgerichtig, da diese regelkonform war und ist. Wir sind froh, dass wir nun Klarheit haben, hätten es aber auf ein Wiederholungsspiel ankommen lassen.“ Die Slowenen nahmen die Entscheidung mit Unverständnis auf – und drohten sogar, aus dem Turnier auszusteigen. „Was hier passiert ist, sprengt alle Grenzen“, sagte Goran Cvijic, der Sekretär des slowenischen Handballverbandes. „Der Verband denkt ernsthaft darüber nach, die EM zu verlassen. Auf der anderen Seite sind wir uns über die negativen Folgen bewusst.“

Kurz vor Schluss der Partie hatten gleich drei Slowenen Paul Drux nach dem 24:25 an der Ausführung des Anwurfs gehindert. Dies ahndeten die litauischen Schiedsrichter nach minutenlanger Auswertung der Videobilder entsprechend der 2016 eingeführten 30-Sekunden-Regel mit einem Siebenmeter, den Tobias Reichmann eiskalt zum Ausgleich verwandelte.

Dieser richtete den Blick aber schnell wieder nach vorn, auch schon Richtung Hauptrunde: „Jetzt gibt es nur noch Endspiele. Mazedonien wird noch mal ein anderes Kaliber. Wir müssen in der Abwehr härter zupacken und vorne cleverer spielen.“

Auch Prokop erwartet erneut Schwerstarbeit. Denn Mazedonien trete mit Leidenschaft, Einsatz und Kämpferherz auf. „Eigentlich sind das auch unsere Tugenden“, sagte Prokop. „Die müssen wir bei einer EM aber auch von Beginn an zeigen. Wir müssen es schaffen, mit noch mehr Biss in die Zweikämpfe zu gehen.“

Diese Attribute hatte die DHB-Auswahl beim glücklichen Remis gegen Slowenien über weite Strecken vermissen lassen. Hanning kritisierte: „Wir müssen ganz schnell lernen, denn ich möchte nicht noch einmal so etwas wie bei WM in Frankreich erleben.“

Dort war der Europameister im Vorjahr im Achtelfinale überraschend an Katar gescheitert. Kapitän Uwe Gensheimer stellte daher vor dem Gruppenfinale fest: „Wir haben zu lange nicht auf unserem Niveau gespielt. Ich hoffe, wir haben unser schlechtes Turnierspiel damit weg.“

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