-Mathias Berthold, die deutschen Abfahrer mit Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen gehören zum ersten Mal seit der Ära Markus Wasmeier wieder zu den olympischen Medaillenkandidaten in den schnellen Disziplinen. Was ist Ihr Ziel als Männer-Cheftrainer für diese Winterspiele?
Natürlich würden wir gerne eine Medaille mit nach Hause nehmen. Wir sind ja nicht hier, um nur dabei zu sein. Aber die Herangehensweise ist sicher eine andere als die Vision. Die Vision ist, hier zu gewinnen, aber dieses übergeordnete Ziel können wir nur erreichen, wenn wir bei uns bleiben und unsere Sachen so durchziehen, wie wir das geplant haben. Wenn wir das hinbekommen, dann haben wir coole Spiele. Aber wenn wir uns in Wunschgedanken und Träumereien wiederfinden, dann werden wir nicht viel reißen. Deshalb liegt mein Fokus auf der Arbeit und nicht auf den Träumereien. Die Jungs wissen schon, was zu tun ist, um gute Leistungen zu bringen.
-Die alpinen Wettkämpfe beginnen mit der Männer-Abfahrt am Sonntag. Welchen Eindruck haben Sie von der Strecke, und wem liegt die besonders?
Die Piste ist in einem Super-Zustand, sogar besser als erwartet. Favoriten gibt es viele, denn die Strecke ist nicht schwer, aber es ist schwer, schnell zu sein. Du musst riskieren, voll attackieren und trotzdem gefühlvoll fahren.
-Die Schneebedingungen sind hier in Südkorea anders als bei den meisten Rennen bisher in dieser Saison. Welche Rolle spielt das Material auf dem kalten, aggressiven, stumpfen Kunstschnee?
Sicher eine sehr große, vor allem natürlich in den schnellen Disziplinen, aber auch bei den Technikern, die schon am Wochenende kommen, um eine gute Woche Zeit zu haben, sich darauf einzustellen.
-Ihre Mannschaft in Pyeongchang besteht mit Ausnahme von Fritz Dopfer nur aus Olympia-Debütanten. Bereitet man Neulinge anders auf dieses Großereignis vor als erfahrene Athleten?
Wir haben natürlich schon öfters darüber geredet. Am Anfang der Saison ging es noch darum, wie man mit dem Thema Olympia-Qualifikation umgeht. Die Athleten haben vor der Abreise ganz genau gewusst, was auf sie zukommt, wie und wo wir wohnen. Aber eigentlich ist die Vorbereitung auf die Rennen bei Olympia keine andere als im Weltcup.
-Ist das Taktik, den Stellenwert von Olympia herunterzuspielen?
Manchmal versucht man das, um den Athleten dadurch den Druck zu nehmen, aber das machen wir nicht. Wir wissen, es ist ein besonderes Ereignis, das es nur alle vier Jahre gibt. Eine Medaille bei Olympia hat sicher einen unvergleichbaren Stellenwert in der Karriere eines Sportlers. Aber der Ablauf für uns als Team, also Trainer und Athleten, ist ganz normal. Man muss den Fokus auf das Wesentliche, das Skifahren legen, um dann die Vision, da vorne mitzufahren, überhaupt erreichen zu können.
-Die Aufmerksamkeit, der Trubel wird aber trotzdem ungleich größer sein als bei einem normalen Weltcuprennen.
Es ist sehr angenehm, denn wir wohnen relativ weit weg. Da gibt’s nicht viel. Außerdem glaube ich gar nicht, dass es wahnsinnig viel Trubel gibt, wenn die Wettkämpfe beginnen.
-Das kommt auf das Abschneiden der deutschen Alpinen beim Auftakt an . . .
Wenn das Rennen durch ist, kann ja ruhig Trubel sein. Aber bis dahin werden wir konsequent unseren Weg gehen und unabhängig von den Ergebnissen durchziehen, was wir im Sinn haben.
-Ihre Athleten heben wieder den guten Zusammenhalt in der Mannschaft hervor. Haben Sie eigentlich Sorge, dass der Erfolg diesen Teamgeist zerstören könnte?
Ich sehe keine Tendenzen. So wie sich in Gröden alle mit Pepi Ferstl über seinen Sieg gefreut haben, war es in Kitzbühel bei Thomas Dreßens Triumph. Das Miteinander hat uns letztendlich dahin gebracht, wo wir jetzt sind. Auch im Technikteam war es immer so. Felix Neureuther hat immer die Jungen mitgenommen und mitgezogen. Die Gefahr, dass sich daran etwas ändern könnte, sehe ich kurz- und mittelfristig nicht. Und wenn sich das so entwickeln würde, würden wir dem sicher Einhalt gebieten.
-Ihr Ziel, in Südkorea mit Abfahrern an den Start zu gehen, die um Medaillen mitkämpfen können, haben Sie erreicht. Welche neuen Visionen haben Sie?
Jetzt schauen wir erst einmal, was bei Olympia läuft, dann kann man über die neuen Ziele reden. Ich hatte vor vier Jahren einen Plan aufgestellt, meine Visionen dargestellt, und davon habe ich zwar einiges erreicht, aber wir sind in ein paar Dingen noch hinterher.
-Wo zum Beispiel?
Sicher bei den Technikern, das war nach dem Ausfall von Felix Neureuther und Stefan Luitz zu sehen.
-Wie hat sich denn der Umgang der anderen Nationen mit Ihrer Mannschaft, Ihrem Trainerteam verändert, seit Deutschland bei der Abfahrt wieder vorne mitmischt?
Natürlich waren wir lange im Training gerne gesehene Gäste, weil die Jungs da immer schon sehr stark gefahren sind und das für die anderen Nationen dann ein guter Vergleich war. Wir haben es nur im Rennen lange nicht so umgesetzt. Wir werden im nächsten Sommer wieder mit den Franzosen trainieren, daran wird sich nichts ändern. Aber es wird jetzt sicher nicht mehr so sein, dass uns andere Nationen helfen und uns groß machen wollen durch ihre Top-Läufer, sondern wir trainieren zusammen auf Augenhöhe.
Das Gespräch führte Elisabeth Schlammerl