München – Einem Mann in seinem Alter und mit seiner Erfahrung macht so leicht niemand etwas vor. Auch Domenico Tedesco nicht. Am Freitag hat sich der Trainer des FC Schalke 04 in einer Weise über Jupp Heynckes geäußert, die über den üblichen freundlich-jovialen Ton weit hinausging. Tedesco nannte den Kollegen ein „Vorbild“ und einen „super Trainer“, zu dem er nur aufsehen könne. Das Kennenlernen am Samstagabend werde eine reine Freude. Bisher ist man sich noch nie begegnet, nicht mal auf einer der üblichen Trainertagungen. Bei der bisher letzten war Heynckes noch Rentner.
Konfrontiert mit den Hymnen aus Gelsenkirchener Munde reagierte der Coach des FC Bayern so aufgeschlossen, wie ihn Tedesco schon länger einschätzt. Aber nicht annähernd so „sachlich“, wie man in Schalke das Auftreten empfindet. Alles schön und gut, sagte Heynckes, ihm komme der Aufsteiger der Trainerzunft ja auch „sehr angenehm“ vor: „Aber er darf mich natürlich nicht einlullen.“
Die Frage nach der Motivation der Bayern und dem richtigen Umgang mit einer haushohen Tabellenführung ist zuletzt ein immer größeres Thema gewesen. Die Münchner sind in dieser Hinsicht gebrannte Kinder. Die sagenhaft früh besiegelten Meisterschaften der letzten Jahre hatten die unschöne Nebenwirkung, dass sich ausgerechnet in der entscheidenden Phase der Saison die Mannschaft nicht immer im Zustand permanenter Anspannung befand. Zumindest bei ihrem Trainer muss man sich aber keine Sorgen zu machen, der könne vor lauter Siegen den Fokus verlieren. „Ich brauche mich nicht zu motivieren“, beteuert Heynckes. Der Antrieb kommt von ganz allein.
Als er dieser Tage las, das Pokalspiel in Paderborn sei ein besseres Training unter Wettkampfbedingungen gewesen, reagierte Heynckes mit Heiterkeit, aber auch ein wenig pikiert. Der souveräne 6:0-Sieg sei vielmehr „wieder mal der Beweis“ gewesen, wie gewissenhaft an der Säbener Straße gearbeitet werde. „Es gibt hier keinen Schlendrian.“
Wenn er dazu beitragen kann, dass die Sinne seiner Schützlinge geschärft bleiben, will er das gerne tun. Manchmal sind es aber auch andere Umstände, die ihm das Arbeiten erleichtern. Seit Mitte der Woche der langzeitverletzte Thiago erstmals das komplette Mannschaftstraining mitmachte, stehen dem Trainer alle Feldspieler zur Verfügung. Ein einziger Profi hat aktuell noch Patientenstatus: Manuel Neuer, dessen operierter Mittelfuß aber stetig Fortschritte macht. Bis 18. Februar wurde der Nationaltorwart nun in den Urlaub geschickt. Wo genau, verrät der Klub nicht, aber es soll dort angenehm warm sein.
Thiago wiederum ist nach seinem Muskelteilriss im Oberschenkel Ende November erst vor kurzem aus der Reha in der spanischen Heimat zurückgekehrt, um sich in München in die Mannschaft einzugliedern. Gegen die Schalker scheut Jupp Heynckes noch das Risiko, seinen kleinen Kreativdirektor aufzustellen, aber lange muss der sich nicht mehr gedulden: „Ich überlege, ihn nächste Woche in Wolfsburg von Anfang an spielen zu lassen.“ Unmittelbar vor dem ersten Champions League-Achtelfinale gegen Besiktas Istanbul (20. Februar) wird der Trainer dann wieder nahezu die volle Auswahl haben. Wenn das für den Einzelnen keine Motivation ist