München – Spannung ist immer auch eine Frage des Timings. Am Ende der Hinrunde wäre ein Duell des FC Bayern mit Schalke 04 glatt als Spitzenspiel durchgegangen. Elf Punkte trennten den Tabellenersten vom -zweiten, und weil das Auftaktprogramm der Bayern nach der Winterpause anspruchsvoll war, hätte der Vorsprung bis zum direkten Aufeinandertreffen an diesem Wochenende noch etwas schmelzen können. Theoretisch. In der Praxis jedoch waren es die Schalker, die nach den Ferien nicht wieder in Schwung kamen. Aus elf Zählern Abstand sind in nur vier Spielen satte 19 geworden, vom ersten Verfolger redet bei den Königsblauen keiner mehr.
„Wer ist im Moment eigentlich Zweiter?“, fragt Dietmar Hamann in die Runde. Es geht im Verfolgerfeld ziemlich unübersichtlich zu, was einerseits interessant ist, andererseits kein Ersatz für die Monotonie im Titelkampf. Als Experte des Pay-TV-Senders Sky, der am Freitag zum Pressetermin lud, wäre dem früheren Bayern-Profi etwas mehr Spannung sehr recht. Konkurrenz belebt auch das Fernsehgeschäft, doch allzu sehr mag sich Hamann über die Dominanz seines Ex-Vereins nicht grämen: „Ich schlafe deshalb nicht schlechter.“
Die Aussicht, ein anderes Team könne den Bayern ernsthaft gefährlich werden, hat sich auch diese Saison längst als Illusion erwiesen. Dass der Punkteschnitt des Tabellenzweiten im historischen Vergleich denkbar schlecht ausfällt, ist dabei nur die Kehrseite der Medaille. „53 Punkte in 21 Spielen“, rechnet Hamann vor, sind auch ein Wert, dem sich nichts entgegensetzen lässt. „Wenn die Bayern so spielen, kannst du mit ihnen einfach nicht Schritt halten.“
Früher oder später landet man bei diesem Thema zwangsläufig beim Trainer. Erst unter Jupp Heynckes entwickelte der Klub wieder eine derartige Stärke, dass die Branche resigniert abwinkt und erste Skeptiker über einen neuen Meisterschaftsmodus (Playoffs) nachdenken. Hamann sieht die Vereinsführung in einem Dilemma: Eigentlich müssten sie in dieser Saisonphase intensiv nach einem Nachfolger für Heynckes suchen, der immer wieder von seinem Wunsch gesprochen hat, ab dem Sommer sein Leben als Privatier fortzusetzen. Gleichzeitig „wollen sie natürlich den Jupp nicht verärgern“. Denn insgeheim hoffen sie, ihn noch ein Jährchen zu binden.
Hamann kann sich vorstellen, dass die Bayern mit keinem Kandidaten gesprochen haben, solange auch nur eine klitzekleine Aussicht auf eine Vertragsverlängerung besteht: „Aber wenn Uli Hoeneß sagt, die Chance liege bei zehn Prozent, dann muss man reagieren.“ Die Zahl der Kandidaten ist sehr begrenzt. Jürgen Klopp, sagt England-Kenner Hamann, fühle sich in Liverpool so wohl „wie ein Kind im Süßigkeitenladen“, Ralph Hasenhüttl (Leipzig) steht nicht für den Ballbesitzfußball Münchner Prägung, Thomas Tuchel erwähnt er kaum. Sein Favorit ist überraschend ein anderer: „Möglicherweise ist Niko Kovac Nummer eins auf der Liste.“ Der Kroate, der sein Land als Nationaltrainer zur WM 2014 führte, hat Eintracht Frankfurt ins obere Tabellendrittel gelotst. Ob er damit aber schon ein Mann für die Bayern ist, könnte eine spannende Frage werden. mb