Pyeongchang – Plötzlich war die Fahne, „ein bisschen zu früh“, wie Johannes Rydzek fand. Fast 300 Meter vor dem Ziel drückte sie ihm ein Physiotherapeut in die Hand. Er musste noch um die Kurve und eine kleine Kuppe hinauf. Ein bisschen anstrengend, wie er fand, „aber unglaublich schön, das genießen zu dürfen.“ Er konnte sich sogar Zeit lassen, denn sein Vorsprung war riesig, am Ende des Teamwettbewerbes in der Nordischen Kombination kam der deutsche Schlussläufer mit 52,7 Sekunden Vorsprung auf das norwegische Quartett ins Ziel. Österreich war dann noch einmal 15 Sekunden später dran. Rydzek wollte die Fahne zunächst gar nicht mehr hergeben, hielt sie immer noch fest, als er mit Vinzenz Geiger, Fabian Rießle und Eric Frenzel bei leichtem Schneetreiben den Triumph zu feiern begann.
Die deutschen Kombinierer haben gestern in Pyeongchang mit dem dritten Sieg im dritten Wettbewerb noch einmal ein Glanzlicht gesetzt. Frenzel sprach von einer „traumhaften Bilanz“, Bundestrainer Hermann Weinbuch nannte den Auftritt der Mannschaft „eine wirkliche Demonstration“. Sie hatte ihm nun auch noch jenen Titel beschert, der in seiner großen Sammlung gefehlt hat. 49 Medaillen, darunter 18 aus Gold, bei Großereignissen gab es unter Weinbuchs Regie seit 1996. „Das was jetzt noch kommt, sind alles noch Geschenke“, gab er zu – und beschrieb gleich seine nächsten Aufgaben.
Die Mannschaft sei im Zenit ihres Schaffens, sagt er. „Wir werden zwar noch das eine oder andere schöne Jahr miteinander erleben dürfen, aber wir müssen wieder frisches Blut zuführen.“ Ein wenig Sorge bereitet ihm im Moment des großen Triumphes, dass es im Nachwuchs derzeit nicht ganz rosig aussieht. Dennoch weiß er: „Ich muss niemanden mehr etwas beweisen, ich habe bewiesen, dass ich gut bin.“
Daran gibt es keine Zweifel. „Hermann ist der Baumeister dieser Geschichte“, sagte Frenzel. Fünf von sieben möglichen Medaillen haben die deutschen Kombinierer in Pyeongchang gewonnen und ganz nebenbei die Machtverhältnisse zurechtgerückt, nachdem sie in dieser Saison ihre Souveränität ein wenig eingebüßt hatten. Während die Deutschen im vergangenen Winter von einem Sieg zum nächsten geeilt waren, dominierten zuletzt Norweger und der Japaner Akito Watabe, Führender im Gesamtweltcup. „Aber diese kleine Delle“, sagt der Bundestrainer, „hat uns wieder zusammengebracht und gemeinsam stärker gemacht.“
Nach dem ersten Gold von Frenzel und dem Dreifacherfolg mit Sieger Rydzek in den Einzeln fühlten sich die Deutschen mental stark genug, auch im Team zu triumphieren. „Wir wussten, dass wir die Form haben“, sagte Frenzel. Dabei hatte Weinbuch vor allem die Niederlagen im Teamwettbewerb in dieser Weltcup-Saison im Kopf, aber auch ein bisschen noch das knapp verpasste Gold vor vier Jahren in Sotschi. „Norwegen hat uns jedes Mal geschlagen, von daher haben wir noch eine Rechnung offen“, sagte der Bundestrainer.
Schon beim Springen hatten sich die vier deutschen Kombinierer eine gute Ausgangsposition verschafft. Mit sechs Sekunden Rückstand auf Österreich belegten sie den zweiten Platz. Startläufer Geiger lief wie besprochen zunächst im Windschatten des Führenden Wilhelm Denifl. Erst nach der Hälfte des Rennens sollte er vorbei spurten, auch diese taktische Vorgabe erfüllte der 20-Jährige glänzend. Rießle baute den Vorsprung auf 42 Sekunden aus. „Da haben die Gegner schon aufgegeben und nur noch auf Silber geschaut“, sagte Weinbuch.
Als Frenzel eine Minute vor dem ersten Verfolger ins Ziel kam, jubelte er schon siegessicher seiner Familie zu. Die Trainer verfolgten die letzten fünf Kilometer „ziemlich entspannt“, wie Weinbuch zugab. Nur einmal sei er nervös gewesen an diesem Tag. „Uns ist vor dem Start eingefallen, dass wir keine Ersatzski an der Strecke haben.“ Es war aber auch die einzige Panne der Kombinierer bei Olympia.