Pyeongschang – Als es noch einmal extrem spannend wurde im Kwandong Hockey Center, funktionierte die spartenübergreifende Zusammenarbeit im viel beschworenen „Team D“ bestens. Claudia Pechstein, die fünffache Eisschnelllauf-Olympiasiegerin, beugte sich weit übers Tribünengeländer, um die Schiedsrichter zu beobachten. Eishockey-Stürmer Patrick Reimer hatte kurz zuvor in der Verlängerung das 4:3 gegen Schweden erzielt – doch die Referees wollten zunächst die Videobilder analysieren. „Mit Claudia hatten wir unseren eigenen Videocoach, sie fiel fast runter“, schilderte Franz Reindl, Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), den Einsatz der Berlinerin.“ Somit war die deutsche Teamführung schon dreißig Sekunden, bevor der Schiedsrichter die Entscheidung bekannt gab, informiert.
„Wir spielen praktisch schon um Silber“
Die Anekdote passte zu einem Abend, der in vielerlei Hinsicht spektakulär, ja – man kann es schon so sagen – geschichtsträchtig war. Erstmals kämpfte sich eine deutsche Eishockey-Nationalmannschaft unter die besten Vier eines olympischen Turniers. Wenn es heute zum Halbfinal-Duell mit Kanada kommt, „dann spielen wir praktisch schon um Silber“, betonte der Verbandschef, „das ist eine unglaubliche Ausgangsposition“. Wobei er noch anmerkte: „Da kann man schon von einem kleinen Wunder reden.“
In diesen Dingen kennt sich Reindl bestens aus. Der Garmisch-Partenkirchner gehörte als Außenstürmer jener legendären Mannschaft an, die bei den Winterspielen anno 1976 Bronze gewann. Der Medaillengewinn ging als „Wunder von Innsbruck“ in die deutsche Sportgeschichte ein. Er werde in diesen Tagen häufig angesprochen, sagte der 63-jährige, auch von den deutschen Spielern. Große Parallelen wollte der 151-malige Nationalspieler zwar nicht ziehen („Das war damals eine ganz andere Welt“), in einem Punkt sieht er jedoch eine Übereinstimmung: „Heute haben wir den gleichen Zusammenhalt in der Mannschaft.“ DEB-Sportdirektor Stefan Schaidnagel bekräftigte: „Wir sind von Spiel zu Spiel gewachsen. Wir haben diesen Teamspirit.“
Das zeigte sich besonders in den Drangphase der Schweden. Reindl rühmte dabei das unerschrockene Engagement in der Defensivarbeit: „Wir sind einfach nur glücklich, dass unsere Nationalspieler in dieser Form auftreten, sich in die Schüsse schmeißen, mit Verletzungen rausgehen. Solche Schussblocks sind heutzutage schon gesundheitsgefährdend.“ Die blauen Flecken rentierten sich, „die Größe dieser Mannschaft beweist sich auf dem Eis. Sie ist das Aushängeschild des deutschen Eishockeys.“ Nicht fehlen durfte in Reindls Zwischenbilanz eine Belobigung des Bundestrainers Marco Sturm: „Wie er die Fäden zusammenhält, das ist überragend. Ich bin sehr überzeugt von ihm.“ Schaidnagel meinte: „Marco hat der Mannschaft seine taktische Handschrift gegeben.“
Kommt nach dem kleinen nun sogar noch ein großes Wunder? Reindl ist da offenbar durchaus zuversichtlich: „Man spürt, dass das Team hungrig ist. Die Augen funkeln, man ist bereit. Das zu spüren, diesen Hunger auf mehr, das ist großartig.“ Seine Prognose für die Partie gegen Kanada: „Wir haben eine Chance. Ich glaube fest daran.“