München – Udo Weisenburger ist mal wieder auf einem dieser Blitz-Trips. Aber Langstrecke. Diese Woche: Am Montag von München aus nach Dallas. Am Donnerstag zurück. Er hat also noch mitbekommen, wie der SC Riessersee, sein Klub, die Meisterschaft in der Hauptrunde der Deutschen Eishockey-Liga 2 (DEL2) gewonnen hat – und wird es nicht verpassen, wenn es ab kommendem Dienstag ins Playoff-Viertelfinale der zweiten Liga geht.
Weisenburger ist in seiner Funktion als Chef der Grainauer TAA-Group in Amerika, er ist in einem seltenen und bunten Gewerbe zuhause. Er designt und baut Themenparks. „Also, wir erstellen nicht den Rohbau, aber die Dekorationen.“ Man kann Weisenburgers Werk in Disneyland-Niederlassungen, in Legoland-Parks oder an den olympischen Stätten von Sotschi sehen.
Diesmal ist er in Hochstimmung gereist, wegen des SC Riessersee. Diese Saison, unabhängig von dem, was jetzt noch kommen mag: „Einfach geil. Die Glückwünsche erreichen uns aus allen Ecken Deutschlands.“ Riessersee ist immer noch ein Name. Eine Marke. Obwohl der letzte Aufenthalt in der Erstklassigkeit 22 Jahre zurückliegt. Aber: Zehnmaliger Deutscher Meister (bis 1981) – das wirkt nach. Weisenburger: „Riessersee ist sympathisch.“
Wer die DEL2 als Erster abschließt, sollte sich mit dem Thema Aufstieg in die DEL befassen. Das tut man dieser Tage auch in Garmisch-Partenkirchen – allerdings mit der wesentlichen Einschränkung, dass diese Möglichkeit derzeit nicht vorgesehen ist. Zwischen DEL und DEL2 gibt es keinen Ab- und Aufstieg, keine Verzahnung, nichts. Zuletzt hat das Berliner Institut für Schiedsgerichtsbarkeit, das beide Seiten in dem Streit angerufen hatten, die DEL2 abgewiesen. Doch sie kann nachbessern bei ihren Unterlagen: Sechs der 14 Klubs müssen sich für aufstiegswillig erklären und bis 31. März eine Bürgschaft von je 816 000 Euro hinterlegen. „Schon erledigt“, sagt Udo Weisenburger, ein Gönner habe das übernommen. Doch realistisch rechnet er nicht damit, dass der SCR aufsteigen könne dieses Jahr – selbst wenn er sich in den Playoffs sportlich qualifizieren sollte.
Die Fans empören sich darob. Am Wochenende haben sie in einer Choreografie zum Ausdruck gebracht, dass sie es für eine Farce halten, dass es nicht nach oben geht, auch wenn man unten der Beste ist. Weisenburger kann sie verstehen, auch er meint: „Der Auf- und Abstieg ist unumgänglich.“ In der DEL2 gebe es Traditionsvereine („Wir, Tölz, Crimmitschau, Bad Nauheim“), sie bräuchten eine Perspektive – und der DEL könne der Abstiegskampf Spannung bringen. „Und wenn es einen erwischt, muss er halt regenerieren, ein Abstieg muss nicht das Ende der Welt sein.“
Tim Regan schließt sich da an. Der US-Amerikaner hat seit 1996 in Deutschland gespielt, elf Jahre für den SCR, vorige Saison war er der Trainer, jetzt ist er Sportlicher Leiter. Sein Deutsch hat oberbayerischen Akzent, er sagt: „Auf- und Abstieg gehört in Deutschland zur Sportkultur. Nur das Eishockey hat es nicht.“ Zwischen DEL und DEL2 ist die Verbindung gekappt.
Regan ist Realist, wenn man ihn fragt, ob dieses erfolgreiche Riesserseer Team in der DEL mithalten könne. „Tempo und Intensität sind oben höher – und wir haben vier Ausländer, die DEL hat neun.“ Er weiß auch, dass die sportliche Klasse des SC Riessersee an der „einzigartigen Kooperation im deutschen Eishockey“ hängt. Sieben der jungen Spieler, die für Riessersee auflaufen, gehören dem Deutschen Meister EHC München, er überlässt sie den Garmisch-Partenkirchnern mit Förderlizenz – und bezahlt sie auch. Der Finne Toni Söderholm, seit dieser Saison Trainer des SCR, stammt ebenfalls aus Münchner Beständen, EHC-Torwarttrainer Patrick Dallaire, mit der Nationalmannschaft gerade in Pyeongchang gewesen, ist einmal die Woche im Zugspitzkreis, um mit den Riesserseer Goalies zu arbeiten.
Regan ist heilfroh über diesen Wissenstransfer. Klar, wenn München einen seiner Spieler (Andy Eder, Jakob Mayenschein, Kevin Reich, Emil Quaas, Niklas Postel, Maximilian Daubner, Daniel Fießinger) benötigt, hat das Vorrang. Doch da sie alle mehr als 20 Hauptrundeneinsätze für Riessersee hatten, sind sie in den DEL2-Playoffs spielberechtigt. Und ergeben mit den routinierten Leuten wie Lubor Dibelka, Andreas Driendl und Rick Mueller die besondere Mischung, die zum Hoch des SCR geführt hat, das sich so äußert: „33 Prozent mehr Zuschauer. Die Sponsoren legen nach“ (Weisenburger).
Doch der Schnitt von 2300 Zuschauern, gestützt durch den traditionellen Zustrom von Zugspitzland-Touristen, würde nicht reichen für die DEL. Mit einem Etat von unter zwei Millionen ist Riessersee auch in der zweiten Liga in der unteren Hälfte zu finden. „Großfirmen gibt es halt nicht bei uns“, sagt Weisenburger, der dem SC Riessersee „zweimal die Lizenz rettete. Dafür habe ich jeweils 50 Prozent der Anteile erhalten.“
Er ist seit einem Jahr auch noch der Geschäftsführer und hat im Kopf, „dass unser Einzugsgebiet bis München reicht“. Schließlich sei der SCR von Münchnern gegründet worden, die ersten Spieler seien von da gekommen.
Die wilden Zeiten mit Millionären
Doch im Münchner Umland um Anhängerschaft zu werben, hieße auch, in die Hand zu beißen, die einen nährt. Die des EHC München mit seinen Red-Bull-Ressourcen. Und überhaupt: Soll der SC Riessersee noch einmal oben angreifen?
Es gab ja immer mal wieder Bemühungen, den Klub aufzupolieren. 1987 nach dem Bundesliga-Abstieg versuchte sich der Schweizer Millionär Urs Zondler, bekannt aus dem Handball (MTSV Schwabing), an einer Riesserseer Renaissance – Aufgabe nach einem Jahr. Der junge Finanzjongleur Thomas Fahlenbach bescherte dem SCR 1995/96 sein einziges DEL-Jahr, doch mit der windigen Investmentfirma Procunia brach auch der Verein zusammen. Fahlenbach landete im Knast. Nächster Anlauf des SCR zum Ruhm: unter Führung der ehemaligen Erotikfilm-Darstellerin Sybil Danning (Schulmädchen-Report, Hausfrauen-Report, Das Turboscharfe Spanner-Motel), die mit einem aus Garmisch stammenden Geschäftsmann verheiratet war. Geld, das der SCR benötigt hätte, brachte die gebürtige Österreicherin nicht ein.
Tim Regan hat diese wilde Zeit noch miterlebt, da war er Spieler. Er findet, der SCR sei jetzt viel viel besser aufgestellt: „Es ist ja alles professionell geworden in der DEL2.“