München – Die Frage an Jupp Heynckes war nun wirklich, naja, irgendwie falsch adressiert. Aber wenn ein junger Kerl eine derart gute Partie gemacht hat wie Franck Evina beim 4:1 der Bayern gegen Eintracht Frankfurt, hat sie trotzdem ihre Berechtigung. Der – zur Erinnerung: in spätestens vier Wochen scheidende – Bayern-Coach sollte also mal verraten, ob der 17 Jahre alte Offensivspieler in der kommenden Spielzeit auch mit Einsätzen in der Bundesliga rechnen könnte. Heynckes gab die einzig richtige Antwort: „Kann ich die Frage weiterreichen?“
Keine zwei Meter links von dem 72-Jährigen hatte Niko Kovac Platz genommen. Der Eintracht-Trainer ist ja bekanntlich der Mann, der in der kommenden Spielzeit zwei Meter weiter rechts sitzen wird, wenn auf dem Podium in der Allianz Arena Spiele des Rekordmeisters bewertet werden. Aber auch er lachte nur. Die Frage blieb unbeantwortet. Weil sie an diesem Tag genauso eine Randnotiz war wie die Anwesenheit des zukünftigen Coaches. Unter normalen Umständen wäre das Gastspiel in München eine große Geschichte gewesen. Aber drei Tage nach und drei Tage vor Real Madrid wurde die in Teilen gähnend langweilige Partie unter – Zitat Sandro Wagner – „Nicht-Kovac-Spiel“ verbucht.
Dass es dieser Tage deutlich Wichtigeres gibt, hatte schon der Blick auf die Aufstellung – bzw. die Ersatzbank – nahegelegt. Von außen beobachteten also unter anderem James, Robert Lewandowski, Thiago und Thomas Müller, wie auf dem Rasen Jungs namens Evina, Lukas Mai, Niklas Dorsch und Meritan Shabani von Männern wie Sandro Wagner und Sebastian Rudy angetrieben wurden und das machten, was die Bayern in den vergangenen Wochen ausgezeichnet hatte: Viele Tore schießen, egal wie zäh eine Partie verläuft. „Einen echten Hormonschub“, hat etwa Müller in den letzten zehn Minuten verspürt, als nach Dorsch (42.) und Wagner (75.) auch noch Rafinha (86.) und Niklas Süle (89.) trafen. Weil er merkte, dass das Erfolgsgeheimnis noch funktioniert. Wenn die 1c-Elf die Bälle hinter die Linie kriegt, muss es doch auch der 1a-Elf gelingen.
Bis weit in den Donnerstag habe es gedauert, ehe das 1:2 im Hinspiel des Champions League-Halbfinals gegen Real einigermaßen verdaut war, dann hat Müller sich gedacht: „Jetzt reicht’s mit schlechter Laune.“ Wenn das Team also an diesem Montag um 10.30 Uhr die Maschine LH 2570 in Richtung Madrid besteigt, überwiegt das „durchweg positive Gefühl“, bestätigte Sandro Wagner. Der Stürmer selbst – im Hinspiel nach den verletzungsbedingten Auswechslungen von Arjen Robben, Jerome Boateng und Javi Martinez nur Statist – hätte am liebsten nach dem Abpfiff am Samstag „direkt losgespielt“. Die drei Tage Pause aber werden Köpfen wie Körpern guttun, um die Mammut-Aufgabe – mindestens zwei Treffer und kein Gegentor im Bernabeu – ausgeruht anzugehen.
„Wir wissen alle, dass wir eine Top-Leistung brauchen, wir wissen aber auch alle, dass noch was drin ist“, sagte Müller. Mut macht allen Beteiligten „die Mentalität des Teams, da steckt keiner auf“ (Wagner). Zudem hat die eingehende Analyse der ersten 90 Minuten des Duells ergeben, dass die Fehler ausschließlich in den eigenen Reihen stattgefunden haben. Mangelnde Kaltschnäuzigkeit war das eine, das andere aber laut Müller „der Funken Respekt, den wir immer in solchen Spielen zeigen“. Diesen „endlich mal abzuschütteln“ sei das Ziel: „Dann werden die Bälle auch irgendwann reingehen.“
Im Fokus steht die Offensivabteilung, die sich nach den prominenten Ausfällen wie der Rest der Elf so gut wie von selbst aufstellt. Besonders von Robert Lewandowski erwarten die Bayern mehr als im Hinspiel, ein „gutes Gespräch“ mit Heynckes unter der Woche soll den Polen angestachelt haben. Auch er sei „nur ein Mensch“, sagte Wagner: „Er wird die Reaktion zeigen.“ Wo genau man ansetzen müsse, um Real zu verwunden, sei im Hinspiel deutlich geworden.
Nicht nur für den Stürmer hat der „Tag der Arbeit“ eine wörtliche Bedeutung. Karl-Heinz Rummenigge träumt am Abend, wenn man im noblen Hotel „VP Plaza España“ zum Mitternachtsbankett zusammensitzen wird, von einem „echten Maifeiertag“. Nach dem „Spiel des Jahres“ übrigens, wie der Vorstandschef mit auf dem Weg gab.
Franck Evina wird es vor dem TV verfolgen, genau wie Niko Kovac. Es dauert noch, ehe die beiden zu Hauptdarstellern werden.