„Immer offen und ehrlich“, das sind Attribute, die Sandro Wagner selbst für sich beansprucht – und auch lebt. Es ist zum Beispiel noch nicht lange her, da entgegnete der Stürmer auf entsprechende Fragen zu seinen Chancen auf einen Platz im deutschen WM-Kader, sie seien unangebracht. Seine Begründung: Mats Hummels oder Thomas Müller werden ja auch nicht ständig auf ihre Rolle im DFB-Team angesprochen. Ein Satz, der wohl wahr ist, gleichzeitig aber auch Wagners Selbstverständnis plakativ untermalt. Übersetzt hätte er auch sagen können: Ich bin einer wie Müller und Hummels. Gesetzt, unverzichtbar, unantastbar.
Nun muss man leider – und zwar nicht erst seit der Nicht-Nominierung seitens Bundestrainer Joachim Löw – konstatieren, dass Wagner sich da überschätzt. Zweifellos hat er rein sportlich gute Argumente vorzuweisen gehabt, zweifellos ist er einer, der einem Team guttut (siehe FC Bayern), und zweifellos war das Fehlen seines Namens auf der erweiterten Kaderliste nicht nur für ihn selbst eine Überraschung. Zwölf Saisontore, ein Arbeitspapier beim FC Bayern, ein Confed Cup-Sieg und acht Länderspiel-Einsätze (Hummels: 63, Müller: 90) aber sind nicht gleichbedeutend mit einem Freifahrtsschein.
Die Entscheidung gegen Wagner ist hart. Aber sie ist keine, die an den Stammtischen für verständnisloses Kopfschütteln gesorgt hat. Man hat sie zur Kenntnis genommen und abgehakt – und dass der offizielle Rücktritt des 30-Jährigen nun einen derartigen Knall verursacht, hat wenig mit dem Namen Wagner, sondern mit den Umständen dieser Personalie zu tun. Ein eingeschnappter Profi, erwischt auf dem Höhepunkt seiner Emotionen, erliegt dem Reiz einer Kurzschluss-Reaktion. Der Plan, Jogi Löw auf dem Weg nach Russland noch eine mitzugeben, geht nun kurzfristig auf. Der Groll wird aber nicht nachhallen.
Über die Fähigkeit Löws, Personalentscheidungen zu kommunizieren, lässt sich sicherlich streiten. Die Vergangenheit lehrt, dass der Weltmeister-Trainer nicht bei allen Kandidaten und solchen, die es werden wollen, ein glückliches Händchen hat. Trotzdem kann man sich kaum vorstellen, dass – wenn in vier Wochen in Russland Anpfiff ist – der Satz „Der Wagner hätte den gemacht“ Hochkonjunktur haben wird. Nicht mal offen und ehrliche Fußball-Fans dürften ihn allzu oft aussprechen. Anders wäre das beim Fehlen von Müller und Hummels gewesen.