Überraschung Sané-Ausbootung

Realität statt Vision

von Redaktion

Es ist nun bewiesen, dass Sponsoren und Geldgeber keinen Einfluss darauf haben, welcher Spieler zu einer Weltmeisterschaft mitfährt (Verschwörungstheorien machen vor nichts halt). Im Pressezentrum des DFB in Südtirol steht eine Werbewand von Mercedes mit vier potenziellen WM-Helden: Toni Kroos, Joshua Kimmich, Jerome Boateng und – Leroy Sané. Löw saß nur ein paar Meter vom Sané-Bild entfernt, als er verkündete, dass ebendieser Sané nicht zur Mannschaft gehören wird, die die WM in Russland nächste Woche in Angriff nimmt.

Der Verzicht auf Sané ist die Aufreger-Entscheidung. In der Tat hätte Löw es sich leichter machen und einen anderen Spieler streichen können: Julian Brandt etwa, der ein ähnlicher Typ ist wie Sané, aber bei einem unglamouröseren Club (Leverkusen). Oder Marvin Plattenhardt, den linken Verteidiger, den er wahrscheinlich eh nicht braucht (notfalls stellt er halt einen seiner zahlreichen Innenverteidiger nach außen). Ließe man die Fans einen Kader zusammenstellen, sie würden sich immer für das offensive Potenzial entscheiden und für die Spieler, die ihre Fantasie bedienen.

Ein solcher Spieler ist Leroy Sané. Man kann ihn in Deutschland nicht so im Detail verfolgen, wie es bei einem Bundesligaspieler möglich ist, man nimmt sein Wirken in England in Ausschnitten wahr. Das Gute, was man hört und sieht, bleibt hängen. Das Gute sind: neun Tore in der Premier League für Manchester City, noch mehr Vorlagen, die Wertschätzung von Trainer Pep Guardiola, der Titel, bester Jungprofi der Liga zu sein. Zudem stehen jede Menge Löw-Zitate im Raum. Über das, was Sané alles könne, das anderen mit weniger Talent sich niemals erschließen werde.

Doch neben der Vision von Sané gibt es auch eine Realität. Die in der Nationalmannschaft. In der hat der Ex-Schalker seine Chancen nicht genutzt. Für den Confederations Cup sagte er ab, die Nasenoperation, die der Grund war, hätte er auch danach unterbringen können. Die letzten beiden Spiele ließ der Bundestrainer ihn dennoch bestreiten: im März gegen Brasilien in Berlin, am Samstag gegen Österreich. Beide Male eine Null-Leistung. Der Teppich für das Talent war ausgerollt.

Ilkay Gündogan hat über seinen Kollegen bei City gesagt, der benötige bisweilen Extra-Antrieb. So scheint es zu sein. Vielleicht ist die Nichtnominierung das Erweckungserlebnis für Leroy Sané: Dass er professioneller sein muss. Kommt die Botschaft an, hat Löw ihm einen Dienst erwiesen. Und sich selbst auch. Er hat ja gerade erst seinen Vertrag bis 2022 verlängert. Noch eine WM. Mit Sané. Einem reiferen. Möglich.

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