München/Kaliningrad – Auf einmal sah David de Gea einen Stürmer auf sich zurasen. Mit kleinen Schritten trippelte er auf die Torlinie zurück, ging in die Hocke, breitete die Arme aus. Dann wartete er. Und als Khalid Boutaib, der Stürmer aus Marokko, sich den Ball etwas zu weit vorlegte, eilte ihm der Spanier de Gea mit zwei entschlossenen Schritten entgegen und wehrte den Schuss mit dem rechten Oberschenkel ab.
Das war nicht schlecht, aber auch nicht spektakulär. Und trotzdem beschrieben die spanischen Reporter diese Szene bis ins Detail. Es war nämlich der erste WM-Torschuss, den Torhüter David de Gea abgewehrt hat – im dritten Spiel.
Das verwirrte die Fußballfans in Spanien. Sie zweifelten an Fernando Hierro, der einen Tag vor dem WM-Start unfreiwillig zum Cheftrainer befördert worden war, aber doch nicht an David de Gea, 27, der sich als Stammtorhüter von Manchester United einen hervorragenden Ruf erhechtet hat. So gut, dass er in den nächsten Jahren 21 Millionen Euro pro Saison verdienen soll, mehr als jeder andere Fußballtorhüter auf der Welt.
Jetzt aber hat dieser de Gea von sechs Schüssen auf sein Tor nur einen gehalten. Seine Kritiker zählten die WM-Minuten, die bis zur ersten Parade vergangen waren. Das Resultat: 205. In der offiziellen Statistik der FIFA drückt sich das so aus: Unter den 35 Torhütern, die im Turnier schon eingesetzt wurden, belegt der 21-Millionen-Mann den letzten Rang. Wie geht das?
Um die Leistung des Spaniers zu bewerten, hilft ein Rückblick. Gegentor 1: Zum WM-Einsteig ein Elfmeter für Portugal. De Gea hechtet nach rechts, Ronaldo zielt nach links, nichts zu machen. Gegentor 2: Ein Ronaldo-Flachschuss aus 16 Metern rutscht de Gea durch die Arme. Ein Patzer. Gegentor 3: Wieder Ronaldo, dieses Mal ein Freistoß. Ein perfekter Schuss, de Gea springt gar nicht erst. Gegentor 4: Ramos und Iniesta vertändeln den Ball, der Marokkaner Boutaib rennt auf de Gea zu, tunnelt ihn, kein Vorwurf. Gegentor 5: Ecke Marokko, Kopfball En-Nesyri – aus fünf Metern ins Eck. Keine Chance, schon wieder.
Die zwei Erkenntnisse dieser Auflistung: Die spanische Abwehr lässt nur sehr wenige Torschüsse zu und vier von fünf Gegentoren kann man de Gea nicht ankreiden. Es war wohl der Patzer gegen Portugal, der die Wahrnehmung beeinflusste. Ansonsten gilt eine einfache wie unbefriedigende Erklärung: Pech gehabt.