WM-GESPRÄCH MIT . . . DIETER REITER

„Jetzt fehlt nur noch: ein Gerd Müller“

von Redaktion

-Herr Reiter, wie und wo wird der Münchner OB das Spiel heute sehen?

Das ist gar nicht so einfach. Wir haben im Stadtrat unsere monatliche Vollversammlung, die oft länger als 16 Uhr dauert. Ich hoffe, dass wir in dem speziellen Fall vielleicht etwas zügiger vorgehen. Aber es wird knapp – ich hoffe also auf keine lange Nachspielzeit, obwohl die für Deutschland ja zuletzt gegen Schweden absolut super gelaufen ist . . .

-Gehen Sie, sollte alles rechtzeitig bereit sein, zum Public Viewing – oder sind Sie lieber Typ Couch?

Es kommt drauf an, ob noch Zeit ist, heimzufahren. Prinzipiell mag ich beides. Es ist ab und zu schön, unter vielen Leuten fachzusimpeln – wenn man das so nennen kann (lacht). Und auf der Couch zuhause hat man halt Ruhe.

-In diesem Fall geht es im Rathaus ja nicht um die Verteilung Rot/Blau, Bayern oder 1860 – werden die Stadträte drängen, um fertig zu werden? Und ist im Rathaus ab 15 Uhr generell keiner mehr anzutreffen?

Also wirklich alle Kolleginnen und Kollegen drängeln eher nicht, habe ich den Eindruck. Aber natürlich zieht ein Spiel der Nationalelf bei einer WM beide Fan-Lager vereint und zu gleichen Teilen in seinen Bann. Und das ist schon der Großteil. Bei der Belegschaft ist es so, dass die gleitenden Arbeitszeiten es möglich machen, rechtzeitig zum Spiel vor einem Fernseher zu sitzen. Wo der Parteiverkehr auch am Nachmittag nötig ist, läuft er freilich weiter. Aber ab 16 Uhr glaube ich wird – wie bei vielen privaten Unternehmen – eher weniger los sein, weil so ziemlich jeder die Partie verfolgen will.

-Zählt der Münchner OB vor einem Länderspiel erstmal die Spieler des FC Bayern – Sie sind erklärter Fan der „Roten“ – durch?

(lacht) Nein, soweit geht es wirklich nicht. Das macht ja keinen Sinn. Da schaut man nicht als Fan eines Vereins, sondern als deutscher Fußball-Fan. Allerdings war ich zum Beispiel überrascht, als gegen Schweden Antonio Rüdiger statt Niklas Süle auflief. Das war aber nicht, weil Süle bei Bayern spielt, sondern einfach, weil ich finde, er hätte gut zu Jerome Boateng gepasst. Rüdiger spielte dann auch gar nicht so gut, finde ich, vielleicht denkt Joachim Löw da gegen Südkorea um.

-Sie haben selber gekickt; beim FC Wacker und beim FC Ludwigsvorstadt – als Libero seinerzeit.

Ja. Ich war etwas lauffaul, Libero war also der ideale Job für mich. Franz Beckenbauer hat mir das bestätigt, dass das schon immer eine traumhafte Position gewesen ist. Ich war einigermaßen ballsicher und mit meinen 1,90 Meter stand ich hinten ganz verlässlich. Diese Rolle gibt es ja heute gar nicht mehr – ich war immer mindestens fünf Meter hinter meinem Vorstopper, auf Abseits hätten wir niemals spielen können, das hab’ immer spätestens ich aufgehoben (lacht). Die Zahl meiner Tore hielt sich auch in sehr überschaubaren Grenzen.

-Aufgewachsen in Sendling, als der mittlere von drei Brüdern – und Sie waren der einzige „Rote“, Ihre Brüder waren 60er. Wie schwer war das?

Nicht besonders. Mein Vater war auch ein „Roter“. Wir konnten uns behaupten. Es stand immer 2:2 – und die Erfolge der Bayern machten uns „Roten“ das Familienleben leichter. Ich kann mich noch gut an ein 11:1 gegen Dortmund erinnern. So hoch gewinnen wir heute nie mehr.

-Sie sind Jahrgang 1958 – 1966 dürfte Ihre erste WM-Erinnerung sein. Haben Sie das Wembley-Tor schon wahrgenommen und sich auch geärgert?

Wahrgenommen ja, aber so richtig geärgert nein. Damals gab es ja auch keine 18 Zeitlupenwiederholungen wie heute. Die große WM meines Lebens ist 1974. Da war ich im perfekten Fan-Alter, und es ist faszinierend für mich, das gebe ich ehrlich zu, dass ich heute die Chance habe, mit den Idolen aus jener Zeit zu reden: Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß, Franz „Bulle“ Roth und Paul Breiter – und viele, viele andere mehr. Beim Finale in München war ich leider nicht im Stadion, aber wir haben das im Fußballverein geschaut. Es sind schöne Erinnerungen, sehr schöne.

-Der Münchner Anteil war 1974 hoch, 2014 auch, diesmal ist es das Gleiche – schlägt da das Oberbürgermeister-Herz höher?

Sicher. Jetzt fehlt nur noch: ein Gerd Müller. Denn so einen richtigen Torjäger haben sie nicht dabei in Russland. Wie der Gerd das immer gemacht hat, war phänomenal.

-Wenn es mit dem WM-Titel klappen solle, würden Sie eine Einladung für den Marienplatz aussprechen? Es muss ja nicht immer Berlin sein . . .

Ich würde mich freilich freuen. Zumindest einen Zwischenstopp sollte man hier arrangieren. München wäre auf jeden Fall bereit zur Party

Interview: Andreas Werner

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