Unterhaching – Der erste Weg führte nach der Partie sofort in die Kabine, wo Seppi Welzmüller auf einer Pritsche lag. „Ich habe unserem Kapitän gesagt, dass wir noch das 1:1 für ihn gemacht haben“, erzählte Claus Schromm später, als er in der kleinen Gasse hinter der Haupttribüne des Sportparks bei dunkler Nacht noch einmal das Derby gegen 1860 analysierte. Sein Torwart Lukas Königshofer hatte zuvor schon gesagt, man habe „nicht das Haching gesehen, das wir gewöhnt sind“, und gemeint: „Geschenke nehmen wir gerne an.“ Schromm meinte auf die Frage, was bis zum Spiel in Großaspach am Samstag ansteht: „Wir werden unsere Wunden lecken.“
Irgendwo zwischen Wunden und Geschenken grübelten die Hachinger nach dem Derby vor allem über einem Problem, das sich schon seit einigen Spieltagen eingeschlichen hat. Sein Team habe zuletzt immer erst angefangen, den eigenen Stil durchzuziehen, wenn es unter Druck geraten war, so Schromm. Gegen 1860 brachten die „Rot-Blauen“ kein Bein auf den Boden, erst nach dem 0:1 habe er seine Mannschaft dann endlich wieder erkannt: „Ab da waren wir mutig, von hinten heraus, das war eine Reaktion. Aber es kann nicht sein, dass immer der Gegner festlegt, wann wir anfangen.“
Die ersten Spieltage hatte Haching jedem Kontrahenten das Geschehen aufgezwungen, doch auch die robusten Löwen verstanden es, die Stafetten zu unterbinden. Schon nach wenigen Minuten rätselte Schromm, was in diesem Derby schief laufe. „Es sah alles komisch aus.“ Er schickte Markus Schwabl, den als Reservisten nichts auf der Bank hielt, bald mal rauf zu seinen Spezialisten auf die Tribüne, und auch die bestätigten: Ja, sieht komisch aus. „Wir haben da alle kein Verständnis dafür“, meinte Schromm später, „denn wenn wir nicht ab der ersten Minute an den Tag legen, was wir können, sind wir in dieser Dritten Liga chancenlos. Ansonsten sind wir gegen jeden Gegner ebenbürtig.“ Es kann noch eine sehr schwere Saison werden.
Man habe sich von der Grundordnung der Sechziger irritieren lassen, bemängelte Schromm, wobei es durchaus auch ein Kompliment war, dass die Löwen ihr Konzept angepasst hatten. „Wir freuen uns, wenn sich der Gegner nach uns ausrichtet“, meinte der Coach. Nur fand man darauf lange keine Antwort. Die Löwen seien „schneller und spritziger“ gewesen, „gefühlt haben sie jeden Zweikampf gewonnen“, monierte Torwart Königshofer, „erst Mitte der zweiten Hälfte waren wir dann frischer im Kopf“. Er sei nicht unfroh über das 0:1 gewesen, meinte Schromm, dadurch hatte sich die Psychologie verschoben: „Ab da hatte 1860 was zu verlieren, und wir waren wieder wir.“
Die große Kulisse ließ der Coach nicht als Entschuldigung für die schwachen 60 Minuten seiner Mannschaft zu: „Wenn da die Wand erwacht, das ist schon imponierend. Das ist Fußball, für so etwas gehen wir jeden Tag hier in die Arbeit.“ Problematischer war es, gegen die körperlich starke Offensive zu bestehen. „Die Löwen sind brutal kräftig da vorne“, sagte Schromm. Die Gegenmaßnahmen waren teuer; neben Welzmüller wird auch Marc Endres in Großaspach fehlen. Er sah die fünfte Gelbe.
Den Kapitän wird man länger nicht mehr sehen. „Seine erste Diagnose war nicht gut, und er hat ja leider sehr viel Erfahrungen mit Kreuzbandrissen“, erzählte Schromm. Es war nicht Welzmüllers Tag, bereits vor der schweren Verletzung in der Schlussphase hatte er bei einem Elfmeter die Chance auf einen früheren Ausgleich vergeben. Dass er angetreten war, sei völlig in Ordnung gewesen, erläuterte sein Coach. Welzmüller habe vier seiner letzten vier Strafstöße verwandelt. Bei Sascha Bigalke hingegen sei die Quote so verheerend, „dass es da sogar mal ein Verbot gab“. Sie werden nun auch einen neuen Elferschützen suchen.
„Wir können mit dem Remis gut leben“, so lautete das Fazit von Schromm. „Schee war’s!“ Sein Kollege Daniel Bierofka schaute bei diesen Schlussworten so sauertöpfisch drein, wie es vielleicht nur er kann. Es blieb am Ende schwer zu sagen, auf welcher Seite mehr Geschenke und auf welcher mehr Wunden zu verzeichnen waren.