Debatte um Ruhpoldinger Weltcup

Biathlon an der Schnee-Grenze

von Redaktion

ARMIN GIBIS

Die Situation stellt sich als ziemlich paradox dar. Ruhpolding präsentiert sich einerseits als winterliche Traumlandschaft mit optimalen Bedingungen für den nun schon 40. Biathlon-Weltcup, der im Miesenbacher Tal ausgetragen wird. Doch hinter dem schönen Schein verbergen sich sicherheitstechnische Probleme. Und auch eine moralisch motivierte Debatte. Da im Landkreis Traunstein aufgrund des massiven Wintereinbruchs der Katastrophenfall herrscht, sahen sich die Veranstalter von Kritikern mit der heiklen Frage konfrontiert: Ist es sinnvoll, ein Sportfest zu feiern, obwohl immer noch der Krisenstab im Einsatz ist?

Sonnenklar ist, dass in jedem Fall die Sicherheit den absoluten Vorrang hat. Und als Ende letzter Woche die Region im Schnee zu versinken drohte, war tatsächlich nicht an Biathlon zu denken. Lawinen donnerten auf Straßen, Dächer drohten unter meterhohem Schnee zusammenzubrechen, zeitweise war die Zufahrt zu Orten wie Reit im Winkl nahezu abgeschnitten, noch am Mittwoch mussten 266 Personen des Ortes Raiten bei Schleching wegen Lawinengefahr evakuiert werden. Der Sport spielt unter solchen Vorzeichen keine Rolle mehr. Und es besteht somit auch nicht der geringste Zweifel daran, dass sich in diesem Fall alle Hilfskräfte der Region auf Rettung und Räumung konzentrieren. Der Landrat Siegfried Walch tat also gut daran, den Katastrophenfall auszurufen.

Doch die anfangs kritische Lage hat sich – vor allem in Ruhpolding und näherer Umgebung – entspannt. Die Katastrophe oder Unglücksfälle konnten dank der Rettungsdienste abgewendet werden. Es kamen keine Menschen zu schaden, auch die Häuser blieben heil. Die Aufregung oder gar Katastrophenstimmung hat sich gelegt. Und schließlich herrschte letztlich auch Übereinstimmung darüber, dass Ruhpolding alle Kriterien eines vom Landratsamt geforderten Sicherheitskonzepts erfüllt.

Somit war es doch etwas erstaunlich, dass Landrat Walch noch am Mittwoch kurz die moralische Keule hob mit der Bemerkung: „Inwiefern man es gut findet, einen Weltcup stattfinden zu lassen, während ein paar Kilometer weiter eine akute Krisensituation ist, das kann jeder selber bewerten und das muss auch der Veranstalter bewerten.“ Der Biathlon-Weltcup wurde somit plötzlich auch zur Gewissensentscheidung.

Ruhpoldings Bürgermeister Claus Pichler hat letztlich die Entscheidung getroffen, in der von vielen freiwilligen Helfern freigeschaufelten Chiemgau Arena den Skijägern grünes Licht zu geben. Skrupel muss er deswegen nicht haben. Auch nach schwierigen Tagen geht im Sport das Leben weiter. Und schon der Auftakt der Biathlon-Woche zeigte, dass man sich über einen Jahrhundert-Winter auch freuen kann.

armin.gibis@ovb.net

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