Abu Dhabi – Wenn in der arabischen Welt Schuhe fliegen, gilt das als Ausdruck höchster Verachtung. Beim Sturz von Saddam Hussein 2003 warfen Iraker Schuhe auf die Statue des Ex-Diktators. Fünf Jahre später musste sich der damalige US-Präsident George W. Bush bei einer Pressekonferenz in Bagdad vor einem heranfliegenden Herrenschuh ducken. Jetzt bekam Katars Fußball-Nationalmannschaft diesen Akt absoluter Geringschätzung zu spüren.
Beim 4:0-Halbfinalsieg beim Asien-Cup in Abu Dhabi gegen die Vereinigte Arabische Emirate wurden die an der Seitenlinie feiernden Katarer mit Schuhen und auch Plastikflaschen beworfen. Während des gesamten Spiels war die Stimmung derart aufgeheizt, dass sich der Schiedsrichter gezwungen sah, die Partie mehrfach zu unterbrechen. Auch am Freitag, wenn der WM-Gastgeber von 2022 im Finale der Asien-Meisterschaft gegen Rekordsieger Japan nach seinem ersten Titel greift, werden den Spielern voraussichtlich Wut und Verachtung entgegenschlagen.
Der seit Sommer 2017 schwelende Golf-Konflikt mit Saudi-Arabien, Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten hat Katar nicht nur in der Politik und Wirtschaft, sondern auch im Sport isoliert. Im Halbfinale gegen Asien-Cup-Gastgeber VAE bewiesen die Katarer jedoch starke Nerven. „Die Spieler wussten, dass es von Seiten der Fans eine Menge Druck geben wird“, sagte Katars spanischer Nationaltrainer Felix Sanchez: „Sie haben ihre Leistung abgerufen, das war das Wichtigste.“
Bei seinen bisherigen elf Teilnahmen am Asien-Cup war Katar nie über das Viertelfinale hinausgekommen. Vier Jahre vor der WM im eigenen Land hat der Wüstenstaat seinen großen Rückstand im Fußball spürbar aufgeholt. Das liegt auch an Hilfe von außen, doch von einer Einbürgerungsschwemme, wie es sie vor der Handball-WM in Katar 2015 gegeben hatte, kann man (noch) nicht sprechen. Das lassen auch die Regularien des Weltverbandes FIFA nicht zu.
Im 23-köpfigen Kader stehen zwar zehn Spieler mit doppelter Staatsbürgerschaft, doch die Leistungsträger des Teams sind fast alle in Katar geboren oder spielen seit der Jugend dort. Auch Trainer Sanchez ist keiner, der mit viel Geld gelockt wurde. Der 43-Jährige arbeitet seit 2006 für den katarischen Fußball.
Mit dem Gefühl „Wir gegen den Rest der Welt“ will Katar nun auch im Finale gegen Japan bestehen. Ungeachtet der zu erwartenden Anfeindungen von den Rängen. sid