Als Javi Martinez vor nun bald sieben Jahren zum FC Bayern wechselte, machte der Verein kein Hehl daraus, einen völlig überzogenen Preis bezahlt zu haben. 40 Millionen könne der Baske gar nicht wert sein, gestand Uli Hoeneß, aber was soll’s – billiger gab es ihn halt nicht. Dass die Summe nach deutschen Maßstäben obszön war, wurde nirgendwo angezweifelt.
Die 41,5 Millionen für Corentin Tolisso kamen vor zwei Jahren schon geräuschloser daher. Der Fußball hatte sich längst verändert, nicht zu seinem Vorteil, und anderthalb Milliönchen mehr regten niemanden mehr auf.
Eine satte Verdoppelung ist ein anderes Kaliber. Gemessen daran, wie stolz die Bayern immer auf ihr pralles Festgeldkonto verwiesen haben und wie gerne sie sich als seriöse, solide Kaufleute inszenierten, geht ihnen der Exzess erstaunlich geschmeidig von der Hand. Dass das Finanzgebaren im globalen Fußball mit jeder Transferperiode mehr verwildert, taugt nur bedingt zur Erklärung. An der Säbener Straße hat man sich schließlich eine Menge darauf eingebildet, mit Geld behutsamer umzugehen als die Investorenclubs und Emiratsspielzeuge.
Damit ist jetzt Schluss. All die Rechenspiele, wie viel Geld die Bayern am Ende für wie viele Spieler ausgeben werden, haben einen wahren Kern. Das Weltmeister-Duo Hernandez/Pavard mag vielseitig einsetzbar sein und eine ganz neue Flexibilität in der Defensive erlauben. Aber damit sind die Aktivitäten noch lange nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: In der Offensivabteilung, wo die Preise erfahrungsgemäß nicht niedriger liegen, gehen sie gerade erst los. Bisher steht dort nur der junge Zweitliga-Reservist Jann-Fiete Arp auf der Haben-Seite.
Selbst ein Festgeld-fixierter Club wie die Bayern stößt da irgendwann an Grenzen. Das erklärt, warum der Rekordmeister auf der Suche nach neuen Einnahmequellen alle moralischen Bedenken über Bord zu werfen scheint. Sogar nach den großzügigen Maßstäben dieser windigen Branche war es jedenfalls bemerkenswert, wie schnell sich Uli Hoeneß neulich dem windigen FIFA-Boss Gianni Infantino an den Hals warf, kaum dass die zurecht kritisierte Club-WM auf 24 Teilnehmer aufgeblasen und mit vielen Millionen vollgepumpt war. Und dass die Neuordnung der Champions League die Großen noch größer und die Schere noch weiter werden lässt, davon darf man getrost ausgehen.
Reden und Handeln sind halt immer zweierlei Paar Fußballschuhe. Die Bayern haben vor vielen Jahren auch die Zentralvermarktung wortreich verteidigt, sich ihre Solidarität dann aber klammheimlich von der Kirch-Gruppe versüßen lassen. Und ihre ungenierte Liaison mit dem Emirat Katar hat ihnen zwar schon viel Geld gebracht, aber auch eine Debatte mit dem eigenen Anhang, die auch nach Jahren nicht verstummt, sondern immer wieder anschwillt.
Man darf als Publikum nicht alles so wörtlich nehmen, was im Fußball gesagt wird. Man sollte aber trotzdem als Verein nicht ein moralisches Bewusstsein für sich reklamieren, wenn man letztlich nicht so furchtbar anders tickt als die Marketing- und Retortenvereine, über die man so gerne lästert. Die jagen dem Geld wenigstens ganz offiziell nach.
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