Es fällt schwer, sich den FC Bayern ohne Uli Hoeneß in vorderster Fußball-Front vorzustellen. Zu sehr ist er verschmolzen, eins geworden mit dem Club, den er geprägt hat wie kein anderer. Als Stürmer erzielte er anno 1974 beim Gewinn des Europacups im Finale gegen Atletico Madrid zwei Tore, als Manager führte er die Roten in die Moderne des Profisports. Es war in erster Linie der Vordenker Hoeneß, der den FC Bayern als Weltmarke erfand. Zeitweise – vornehmlich in den Achziger- und Neunziger-Jahren – drängte sich der Eindruck auf, beim Rekordmeister handle es sich um den FC Hoeneß. Nach fast einem halben Jahrhundert, in der sich der gebürtige Ulmer in die monumentale Verkörperung seines Vereins verwandelte, wird diese Ära höchstwahrscheinlich zu Ende gehen. Der Präsident, dessen Image stets zwischen Kult- und Reizfigur schwankte, zieht sich zurück. Für den FC Bayern ist dies ein epochaler Vorgang. Und die große Frage ist natürlich, wie sich diese Zäsur auf das innere Machtgefüge auswirkt.
Seine letzten Jahre in Amt und Würden sind ja nicht unbedingt die strahlendsten gewesen. Immer wieder wurde erkennbar, wie sehr Hoeneß sich an seinem internen Widerpart, Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, rieb, wie schwer es fiel, zumindest den Schein interner Eintracht zu wahren. Zugleich zeichnete sich ab, dass der FC Bayern im Milliardengeschäft Fußball an Konkurrenzfähigkeit zu verlieren droht. Überdies regte sich bei der letzten Jahreshauptversammlung von Hoeneß als ehrenrührig empfundene Kritik. Erstmals stand die Basis nicht mehr geschlossen hinter ihm. Für den Gefühlsmenschen vom Tegernsee eine auch emotional schmerzhafte Erfahrung. Erschwerend kam hinzu, dass ihm in der darauffolgenden Diskussion der Beistand namhafter Vereinsgewaltiger versagt blieb. Die Hausmacht schien zu schwinden, ein guter Grund also für den Rückzug.
Man muss sich also auf einen FC Bayern ohne Hoeneß einrichten. An seine Stelle wird der frühere Adidas-Chef Herbert Hainer treten. Eine Personalie, die den Verdacht nährt, der FC Bayern definiere sich mehr und mehr als großes Wirtschaftsunternehmen denn als Fußballclub. Der weltgewandte Hainer hat fraglos Führungsqualitäten, ihm fehlt es aber an sportlicher Kompetenz. Die Rolle des starken Mannes wird somit dem Vorstandschef zufallen. Dieser heißt ab 2021 höchstwahrscheinlich Oliver Kahn. Auf den früheren Torhüter, Anfänger in der Managerbranche, wartet also eine gewaltige Herausforderung. Auch weil er sich an Uli Hoeneß messen lassen muss.
Armin.Gibis@ovb.net