Drochtersen/München – In Drochtersen haben sich andere Bundesligisten schon viel schwerer getan, etwa vorige Saison der FC Bayern, der sich zu einem 1:0-Sieg mühte, bei dem das Tor auch erst in der 81. Minute fiel. Schalke übersprang diese Erstrunden-Hürde SV Drochtersen/Assel weitaus souveräner.
Doch Thema war nicht das 5:0 des Bundes- beim Regionalligisten, nicht das, was sich auf dem Rasen abspielte, sondern das Treiben auf den Rängen. Würden die Schalker Fans sich bemerkbar machen in ihrer Missbilligung des Ehrenrat-Deals mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies? Die Geschichte hatte seit über einer Woche die Nachrichtenlage beherrscht; Fleischfabrikant Tönnies hatte sich öffentlich rassistisch geäußert, daraus aber keine richtige Konsequenz gezogen: Er macht von seinem Amt nur drei Monate Pause. So hatte er selbst es dem Ehrenrat vorgeschlagen.
Mehr als jeder andere Proficlub in Deutschland bezieht Schalke 04 Position gegen Rassismus und Diskriminierung – und das geschah dann auch am Samstag beim Pokalmatch in Drochtersen. 2000 Königsblaue waren dabei – und eine Choreografie: schlicht, eindringlich. Zuerst konnte man lesen: „Wir zeigen Rassismus die Rote Karte.“ Daraus wurde: „Wir zeigen Tönnies die Rote Karte.“
Die Fanvereinigung UGE gab eine Erklärung ab: „Einmal mehr scheint eine einzige Person größer zu sein als unser ganzer Verein. Das Ergebnis des Ehrenrates ist für uns in keiner Art und Weise akzeptabel! Die jahrelange Antirassismusarbeit wird durch diese Entscheidung nicht nur mit Füßen getreten. Dieser Beschluss schädigt das Image unseres Vereins nachhaltig. Wie sollen wir Mitglieder in Zukunft bei ähnlichem Verhalten reagieren? Ist Wegsehen erwünscht? Ist einmal keinmal und alles halb so wild?“
Für die Verantwortlichen bei Schalke 04 ist es nicht leicht, sich zu positionieren. David Wagner, der neue Trainer, kommentierte die Fan-Aktionen: „Unsere Fans sind nicht doof. Wenn sich einer hingestellt und gesagt hätte: ,Ich find das cool, was da vorgefallen ist’, dann wäre ich zum Zaun gelaufen.“ Was er sich als Coach wünscht: „Wenn es 15.30 Uhr ist, dann geht es nur um Schalke und darum, diese Mannschaft zu unterstützen.“
Sportvorstand Jochen Schneider, erst seit einigen Monaten als Nachfolger von Christian Heidel im Amt, warnt davor, eine „Hetzjagd zu veranstalten“. Er „verstehe die Emotionen“ in der Debatte, aber man „dürfe es auch nicht übertreiben“. Schneider erwarte eine Diskussion auf einer „sachlichen Ebene“. Insgesamt habe der Fußball beim Thema Rassismus „enorme Fortschritte gemacht. Es ist gut, dass wir in einer Zeit leben, in denen die Aussagen, die er (Tönnies, d. Red.) getätigt hat, nicht in Ordnung sind und die Leute sagen: ,Nein, das geht so nicht’. Da können wir alle froh sein.“
Im ZDF-Sportstudio war der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau zu Gast. Er meinte: „Man kann schon von einer rassistischen Aussage sprechen“, er fände sie „ganz schlimm“, finde aber, dass Tönnies „eine zweite Chance verdient“ habe. „Er muss seine Entschuldigung in die Tat umsetzen.“
Am Sonntag dann „Fan-Tag“ auf Schalke. Ex-Spieler Sascha Riether, nun Koordinator der Lizenzspieler-Abteilung, eröffnete ihn mit einem Appell. „Es wird wichtig sein, dass wir uns nicht spalten lassen.“ Größerer Tönnies-Protest blieb danach aus.