Das 80-Millionen-Puzzleteil

von Redaktion

Hernandez-Rückkehr: Umstellung der Bayern-Abwehr – Davies angeschlagen

VON HANNA RAIF

München – Im vergangenen Transfer-Sommer wäre Javi Martinez auf Platz zwei gelandet. Aber diese 40 Millionen Euro, die der FC Bayern einst für den Spanier gezahlt hat, hätten niemanden mehr schockiert. Für Spieler wie Kerem Demirbay sind 2019 immerhin 32 Millionen Euro geflossen, Abdou Diallo hat die Bundesliga für ebenso 32 Millionen Euro verlassen, und auch Mats Hummels war Dortmund mehr als 30 Millionen Euro wert. Der Markt ist ein anderer als noch vor knapp acht Jahren, also 2012, als Martinez mit den Beinamen „Rekordtransfer“ und „40-Millionen-Mann“ in München startete. Heute kann man davon ausgehen, dass selbst 80 Millionen, die die Bayern für Lucas Hernandez gezahlt haben, nicht mehr als ein Jahr eine Bestmarke bleiben werden.

Knapp vier Monate also bleiben Hernandez noch, um das ihm anhaftende Etikett des teuersten Bundesliga-Spielers mit Leben zu füllen. „Froh, dass er wieder mitmachen kann“, war Hasan Salihamidzic nach dem Comeback des Verteidigers im Topspiel gegen Leipzig, Bayerns Sportdirektor fügte aber hinzu: „Er braucht noch Spielpraxis.“ Das ist nur logisch, denn wer mit einer schweren Innenbandverletzung verpflichtet wird, knapp 200 Tage ausfällt, dann sechs Spiele bestreitet, ehe er sich am Knöchel verletzt und wieder drei Monate fehlt, sollte besser behutsam aufgebaut werden. Diesen Plan hatte Hansi Flick, er wollte nichts überstürzen, sondern bewusst Schritt für Schritt vorgehen. Dass es beim 0:0 gegen RB anders kam, lag vor allem daran, dass Jerome Boateng sich nicht gut fühlte. Schon vor der Partie hatte der Weltmeister sich nicht zu 100 Prozent fit gemeldet, nach 65 Minuten ging es dann nicht mehr. Flick hatte zwei Möglichkeiten: Neuzugang Alvaro Odriozola bringen und Benjamin Pavard von rechts außen nach rechts innen ziehen. Oder aber Hernandez aufs Feld schicken. Er entschied sich für Letztere –

wohlwissend, dass ab jetzt die üblichen Mechanismen greifen, die ein Comeback mit sich bringt.

Die Fragen nach dem Abwehr-Puzzle werden diese Woche lauter werden, und dann, in 14 Tagen, wenn die großen Spiele anstehen, wird es um den ersten Startelf-Einsatz von Hernandez gehen. Schon gegen Leipzig habe der Franzose „Stabilität reingebracht“ und dem Bayern-Spiel „mit seiner Kompromisslosigkeit sehr gutgetan“, sagte Flick. Auf der linken Innenverteidiger-Seite machte Hernandez bei seinem Wieder-Einstand eine gute Partie, dafür wurde der zum Abwehrchef gereifte David Alaba noch eine Position weiter nach rechts versetzt. „Ungewohnt“ sei das gewesen, sagte der Österreicher, „das ist nicht meine Idealposition.“ Offiziell gilt: „Ich spiele, wo ich am besten helfen kann.“ Intern aber zeigt Alaba sich nicht immer so zufrieden mit seiner defensiven Rolle.

Flick wird nicht umhinkommen, bald eine Entscheidung zu fällen. „Konkurrenzkampf ist wichtig, das weiß auch Lucas“, sagte der Coach. Eine eingespielte Reihe aber ist im Endspurt um drei Titel noch wichtiger. Auswirkungen dürfte vor allem die Information haben, auf die gestern nach dem Trainingsabbruch von Alphonso Davies mit Bangen gewartet wurde. Fällt der Kanadier, der den Platz laut offizieller Mitteilung mit „leichten Sprunggelenksproblemen“ verließ, wider Erwarten länger aus, löst sich das Puzzle erst mal von selbst. Alaba müsste dann nach links, Hernandez neben Boateng in der Mitte auflaufen. Der Ex-Nationalspieler sagte gestern via „SID“: „Ich kenne nichts anderes als Konkurrenzkampf.“ Allerdings wisse Boateng um seine Qualitäten: „Die gibt es nicht oft.“

Vielleicht hat Flick noch ein paar Tage Zeit, um Antworten zu finden auf die Fragen, wie man mit drei Linksfüßen in einer Kette (Davies, Hernandez, Alaba) umgeht und ob zwei 1,80-Meter-Männer in der Zentrale international konkurrenzfähig sind. Irgendwann aber werden sie akut werden. Egal ob 80 Millionen wert oder weniger: Jeder hat seine Ansprüche.

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