Ein bisschen Reue

von Redaktion

Jürgen Klinsmann bezeichnet Umstände seines Rücktritts als „fragwürdig“ – wie geht es weiter?

Berlin – Am Tag nach dem großen Beben fegte ein kräftiger und kalter Wind über den Olympiapark. Das Wetter am Mittwoch passte perfekt ins Bild, denn für Hertha BSC brechen stürmische Zeiten an. Nach dem überraschenden Rücktritt von Trainer Jürgen Klinsmann ist das „Big City Chaos“ längst noch nicht überstanden.

Klinsmann entschuldigte sich zwar am Mittwochabend in einem Facebook-Livechat für die Art und Weise seines Abgangs („frag- und kritikwürdig“): „Ich hätte mir mehr Zeit lassen, mehr mit der Hertha-Führung reden und das Ganze noch mal aufarbeiten sollen. Dann wäre es gestern früh vielleicht nicht zu so dieser Aktion gekommen.“ Doch seine Vorwürfe wegen des Kompetenzgerangels mit Manager Michael Preetz erneuerte der frühere Welt- und Europameister. Man habe sich „in vielen Nebenkriegsschauplätzen aufgerieben“, sagte Klinsmann: „Es ging um klare Kompetenzaufteilungen, und die haben wir nicht hinbekommen. Das betrifft in erster Linie mich und Michael Preetz.“

Ob er tatsächlich wie angekündigt in den Aufsichtsrat zurückkehrt, ließ Klinsmann offen: „Das sollen die Leute sagen, wie sie es wünschen.“ Gemeint sind Preetz, Klubpräsident Werner Gegenbauer und Investor Lars Windhorst, die sich am Donnerstagmittag (11.30 Uhr) zur aktuellen Lage äußern wollen. Vor allem auf Windhorst sind die Augen gerichtet.

Dass der Unternehmer sein Engagement aufkündigt, ist angesichts der bislang investierten 224 Millionen Euro für 49,9 Prozent der Klub-Anteile sehr unwahrscheinlich. Hält Windhorst aber an Klinsmann als seinem Vertrauten fest, droht Hertha eine Zerreißprobe mit unvorhersehbaren Folgen. Klinsmann hatte angekündigt, seine Funktion als Aufsichtsratsmitglied wieder aufnehmen zu wollen. Dann würde der einstige Welt- und Europameister die Leute kontrollieren, denen er einen Vertrauensbruch vorwirft. Dagegen spricht: Klinsmanns Hauruck-Aktion dürfte auch Windhorst wenig gefallen haben. Wie der „Spiegel“ am späten Abend berichtete, werde Klinsmann „keine Funktion mehr im Verein bekleiden“. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins soll der Ex-Trainer den Aufsichtsrat verlassen.

Vor allem Manager Preetz steht nun unter Druck, er muss auf die Schnelle einen neuen Trainer finden. Bei der Trainersuche deutet alles darauf hin, dass Co-Trainer Alexander Nouri im Auswärtsspiel am Samstag beim Schlusslicht SC Paderborn interimsmäßig auf der Bank sitzen wird.

Da Nouri von Klinsmann geholt wurde, ist eine Dauerlösung mit ihm unwahrscheinlich. Noch unrealistischer ist eine Rückkehr von Pal Dardai, auch wenn sich nicht wenige Fans nach den verlässlichen Zeiten unter dem Ungarn zurücksehnen. Gehandelt werden die Namen Roger Schmidt, Bruno Labbadia und Mark van Bommel.

Eine Personalentscheidung wurde am Mittwoch getroffen – und sie beweist, wie sehr sich der Wind bei Hertha gedreht hat: Zsolt Petry übernimmt wieder das Torwart-Training der Profimannschaft. Der im Klub hochgeschätzte Petry war von Klinsmann rasiert worden, zwischenzeitlich half dafür Bundestorwarttrainer Andreas Köpke aus. Nicht wenige unterstellten Klinsmann persönliche Motive. Petry hatte einst Klinsmanns Sohn Jonathan, dem bei Hertha der Durchbruch nicht gelang, öffentlich hart kritisiert.  sid.

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