Frankfurt/Main – Die derzeit geführten Debatten um härteres Durchgreifen oder mangelnde Autorität waren Pierluigi Collina zu seinen besten Zeiten völlig fremd. Wenn „Glatze Gnadenlos“ mit weit aufgerissenen Augen und einem Karton in der Hand den Übeltäter ins Visier nahm, trollte sich der Sünder meist zügig. Es ist vor allem das Charisma des Italieners, der heute sein 60. Lebensjahr vollendet, das ihm den Ruf des besten Schiedsrichters der Geschichte einbrachte.
Tatsächlich wurde Collina von 1998 bis 2003 sechsmal in Folge zum Welt-Referee des Jahres gewählt. Das hat vor und nach ihm keiner seiner Kollegen geschafft. Mit welcher Leichtigkeit Collina selbst die wichtigsten Partien problemlos in den Griff bekam, spürten auch die deutsche Nationalspieler im WM-Finale 2002 in Yokohama gegen Brasilien (0:2). Der Brasilianer Roque Junior und Miroslav Klose sahen bereits in den ersten zehn Minuten die Gelbe Karte – danach trat der Referee kaum noch in Erscheinung. Schon drei Jahre zuvor hielt sich Collina bei der schmerzlichsten Europacup-Pleite eines deutschen Klubs zurück. Bei der „Mutter aller Niederlagen“ des FC Bayern im Finale der Champions League gegen Manchester United (1:2) zeigte der Unparteiische lediglich Bayern-Spielmacher Stefan Effenberg die Gelbe Karte.
Den Aufstieg zum weltweit bekanntesten Schiedsrichter schaffte Collina aber nicht nur wegen seiner Leistungen. Es war seine markante Erscheinung, die ihn berühmt machte. Schuld daran war eine gesundheitliche Beeinträchtigung. Im Alter von 24 Jahren erkrankte Collina an einer Autoimmunkrankheit, bei der das eigene Immunsystem die Haarfollikel angreift. Bei Collina führte die Krankheit zum kompletten Verlust der Körperbehaarung – einschließlich Augenbrauen und Wimpern. „Ich verlor meine Haare in einer Zeit, als dieser Look längst keine Mode wie heute war“, sagte Collina zuletzt dem „kicker“: „Damals wurde mir ernsthaft gesagt: Jetzt pausierst du mal ein paar Monate, vielleicht wachsen die Haare ja wieder.“
Seiner Karriere schadete die Krankheit nicht – im Gegenteil. Der unverwechselbare Mann aus Bologna, der an der Universität seiner Heimatstadt erfolgreich Ökonomie studierte, stieg zur Werbe-Ikone auf. „Der Look wurde dann zu einer Art Markenzeichen und einige sagten: Die Glatze hat dir zum exponierten Image geholfen. Stimmt“, gab Collina unumwunden zu: „Wäre ich aber als Schiedsrichter grottenschlecht gewesen, hätte ich keine Finals nur wegen des Kahlkopfs geleitet.“
Der Wohlstand hielt Collina nicht davon, seine Laufbahn weiter voranzutreiben. Über seine Erfahrungen als Schiedsrichter schrieb er ein Buch, heute lehrt er. Das Motto für seine Schüler: „Nur wer hart an sich arbeitet, bleibt an der Spitze.“ sid