„Große Unterstützung für Frauen spüre ich nicht“

von Redaktion

Rennfahrerin Sophia Flörsch aus München vor dem Saisonstart über ihre Hoffnungen – und diverse Schwierigkeiten

München – Neue Herausforderung für Sophia Flörsch: Die 19-jährige Münchner Motorsporthoffnung startet 2020 auf der Langstrecke in der European Le Mans Series und bildet mit Formel-1-Testfahrerin Tatiana Calderon (26) und Ex-DTM-Pilotin Katherine Legge (39) das Richard Mille Racing Team. Auch ein Einsatz beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans ist wahrscheinlich. Die Hoffnung auf ein Formel-3-Cockpit ist noch nicht ganz abgeschrieben. Allerdings fehlt für das nötige Budget von einer Million Euro noch ein sechsstelliger Betrag bis zum Teststart in zwei Wochen.

Sophia, Formelsport im Vergleich zur Langstrecke, wo ist der Unterschied?

Ich muss mich im Kopf etwas umpolen. Bisher war das Qualifying entscheidend, weil du von den hinteren Plätzen nicht gewinnen konntest. Auf der Langestrecke verliert das Quali an Bedeutung, weil in vier Stunden viel passieren kann. Auch die Strategie und die Technik spielen eine größere Rolle. Im Formelsport war das Motto salopp gesagt einfach ,Vollgas.‘

Hilft Ihnen das für Ihre Entwicklung als Pilotin?

Ich will möglichst viele Kilometer fahren und Erfahrungen sammeln, deswegen nutze ich jede Ausbildungsmöglichkeit. Die LMP2-Boliden sind so schnell wie Formel-2-Autos. Sie haben 600 PS bei 930 Kilogramm, das Auto schiebt richtig an und hat sehr große Flügel, also viel aerodynamischen Abtrieb. Bei den Tests in Aragon kommen wir auf der Geraden auf 335 km/h, das ist geil.

Ein Frauenteam sorgt medial für Aufmerksamkeit. Wie sehen Sie das?

Wir wollen keine Marketingnummer sein, sondern beweisen, dass wir den Männern um die Ohren fahren können. Ich weiß aber noch nicht, wo wir stehen, weil der Vergleich mit anderen Teams fehlt.

Ein Le-Mans-Start ist anvisiert. Was würden Ihnen das bedeuten?

Le Mans im LMP2 mit 19 Jahren das ist sehr krass, fast abnormal. Noch warten wir auf die endgültige Bestätigung, aber für mich würde ein Traum in Erfüllung gehen. Als Rennfahrer willst du dieses Event auf deiner Wunschliste einfach abhaken.

Wie steht’s um Ihren Formel-1-Traum? Lebt der auch weiter?

Davon lasse ich mich nicht abbringen, auch wenn es in diesem Jahr sehr schwer ist, einen Platz in der Formel 3 zu bekommen. Noch wäre ein F3-Cockpit bei einem Topteam für mich verfügbar. Wenn alle ihre Versprechung von 2019 einhalten, könnte ich sofort unterzeichnen. Andernfalls klafft die Budgetlücke …

Es liegt schlicht am Geld. Nervt das?

Ja, es nervt. Formel-Cockpits werden nach Geld vergeben. Nicht nach Talent. Dass es zu 99,9 Prozent auf die finanziellen Voraussetzungen ankommt, ist vielleicht das einzige Ärgerliche am Motorsport. Geld, Kontakte und Verträge kann man vererben. Talent sehr selten. Immer neue Remakes, wie öde. Das macht doch jeden Sport auf Dauer langweilig.

Nach Ihrem Macau-Unfall sind viele Interessenten auf Sie zugekommen. Was bleibt davon übrig?

Viele wollten kurzfristig etwas auf die Beine stellen, reden viel, aber das bin nicht ich. Ich will Partner, die an mich glauben und die mit mir langfristig durch dick und dünn gehen. In der Motorsportszene wird viel über Frauen gesprochen, aber eine große Unterstützung spüre ich derzeit nicht.

Wie ist Ihr Langzeitplan?

Ich muss jetzt erstmal sortieren, wer wirklich hinter mir steht. Der Plan ist, über die Formel 3 in die Formel 2 zu kommen. Die Formel E, World Endurance locken mich auch. Aber wie dieses Jahr beweist, muss man flexibel bleiben. Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere – und durch die gehe ich dann.

Interview: Mathias Müller

Artikel 1 von 11