Manch einer mag sich über eine „Gelbe-Karten-Flut“ oder eine „Karton-Explosion“ aufregen. Die Zahlen indes sprechen eine andere Sprache: Nach der Anweisung an die Bundesliga-Schiedsrichter, unsportliches Verhalten umgehend mit Gelb zu ahnden, ist die Statistik nur marginal gestiegen: 3,92 Gelbe Karten pro Partie zückten die Unparteiischen an den vier Rückrundenspieltagen im Schnitt. 2019 waren es 3,90. Die Erzählung von ausufernden Karten-Orgien in den letzten Wochen? Ein Märchen. Dabei wäre es wünschenswert, die Spielleiter würden sogar noch öfters zum gelben Karton greifen.
Bei allen unsinnigen Regeln, die Fußball-Verbände in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben, ist die Bestrafung von typischem Fußballer-Gehabe das Sinnvollste, was sich Funktionäre seit Langem ersonnen haben.
Nichts schadet dem Ansehen des Fußballs mehr als reklamierende Profikicker, die penetrant eine Bestrafung für den Gegner fordern. Oder sich nach einer leichten Berührung theatralisch auf dem Rasen krümmen, als sei eine sofortige Amputation ihre einzige Rettung. Oder Akteure, die den Ball über den halben Platz tragen, nur um das Geschehen zu verzögern.
Traurigerweise markiert der Fußball hierbei eine Ausnahme. Beim Handball mangelt es nicht an brutalen Fouls oder Körperkontakt. Aber das Angehen des Gegners ist tabu. Viel mehr noch: Nach der Aktion wird mit dem Kontrahenten abgeklatscht und weiter geht’s. Im American Football tummelt sich eine Horde von Testosteron-Hünen, welche aber die – selbst fragwürdige – Schiedsrichter-Urteile akzeptiert.
Da Fußballer anscheinend nicht von sich aus an der Etablierung einer neuen Kicker-Etikette interessiert sind, müssen sie zum Wohl der Sportart dazu erzogen werden. Das Problem mit der neuen Direktive bis dato: Sie wird von den Schiedsrichtern nicht konsequent genug umgesetzt. Noch immer bleiben kleine Schwalben unbestraft. Meckern wird mal sanktioniert, mal ein Auge zugedrückt.
Solange nicht resolut gegen diese Image-Schädigung vorgegangen wird, ändert sich nichts in den Köpfen der fürstlich bezahlten Spieler. Eine tatsächliche „Gelbe-Karten-Flut“ ist nur ein kurzfristiges Phänomen. Langfristig gewinnt der Fußball. Ein an sich wunderschönes Spiel.
Daniel.Mueksch@ovb.net