München – Alphonso Davies ist 19 Jahre alt und zählt auf der Videoplattform Tiktok bereits 729 000 Follower. Bei Instagram sind es 761 000. Seine Karriere als Profifußballer kommt gerade erst ins Rollen, für die Zeit danach hat der junge Kanadier in Diensten des FC Bayern aber auch schon ehrgeizige Pläne geschmiedet. Er will Schauspieler werden. Man könnte also durchaus meinen, Alphonso Davies – kurz: Phonzy – sei vertraut mit Kameras.
Als er jedoch gestern im Pressestüberl an der Säbener Straße in einen Bildschirm blickt, an dessen anderem Ende eine Reihe Journalisten mit Fragen zu seinem jüngst bis 2025 verlängerten Vertrag sitzen, vergisst Davies den Entertainer für eine gute Viertelstunde. Phonzy ist jetzt nicht mehr der Spaßvogel aus dem Internet, sondern Alphonso. Der Fußballer. Die meisten Fragen beantwortet er präzise in zwei bis drei Sätzen. Mit den Bayern will er „so viele Spiele und Titel wie möglich gewinnen“, erklärt er in bestem Branchenduktus. Linksverteidiger will er vorerst auch bleiben. Alles kommt ein wenig oberflächlich daher.
Um den Fußballer und vor allem den Menschen Alphonso Davies zu verstehen, bedarf es allerdings etwas mehr Tiefe. Am 2. November 2000 erblickt Davies das Licht der Welt. Er tut das in Buduburam, einem Flüchtlingslager in der ghanaischen Provinz Central. Seine Eltern mussten ihrer Heimat Liberia aufgrund eines Bürgerkriegs den Rücken kehren, daran erinnert sich Davies aber nicht mehr. An das, was danach kam, schon. Die Rede ist von dem Land, das Phonzy die Chance gab, zu Alphonso zu werden. „Und dann kam Kanada“, sagt er. „Dort hat man mir die Gelegenheit gegeben, all das zu tun, was ich wollte.“ Und das tat Davies.
Über Toronto gelangte seine Familie nach Edmonton. Während seine Eltern arbeiteten, hütete der Erstgeborene seine beiden jüngeren Geschwister. Er begann mit dem Fußball. Knapp zehn Jahre später wird er vom Fußballportal transfermarkt.de als einer der fünf wertvollsten Außenverteidiger der Welt geführt. Der Grund für diesen rasanten Aufstieg? Seine Schnelligkeit, klar. Vielmehr aber die Erziehung, die seine Eltern ihm von klein auf mit auf den Weg gaben.
Auf die Frage, was er denn jenen Jungs raten würde, die heute ein Trikot mit seinem Namen auf dem Rücken tragen, sagt Davies: „Sie sollen immer sie selbst bleiben. Und stets mit einem Lächeln spielen. Wenn du mit einem Lächeln auf den Lippen spielst, spielst du immer besser.“
Mittlerweile strahlen auch die Fans des Rekordmeisters, wenn sie den Kanadier die linke Außenbahn auf und ab flitzen sehen. Dem war nicht immer so. Als der Sportdirektor Hasan Salihamidzic den blutjungen Flügelstürmer der Vancouver Whitecaps im Sommer 2018 nach München lotste, war die Verwunderung noch groß. Ein 17-Jähriger aus der US-Liga MLS? Der eine oder andere mag vielleicht an das gescheiterte Klinsmann-Experiment Landon Donovan gedacht haben. Im Gegensatz zum nordamerikanischen Altstar wird es bei Davies und den Bayern aber nicht bei einem in den Sand gesetzten Kurzfilm bleiben. Die Zeichen stehen auf Blockbuster.
„Meine Priorität ist erst mal Fußball“, sagte er auf die Frage eines Reporters nach seinen schauspielerischen Träumereien. Irgendwann aber, wenn die Zeit nach dem runden Leder kommt, wird er weiterdenken. „Danach können wir reden“, sagt er. Hollywood wird sich noch etwas gedulden müssen.