Neue Realität der Fußballer

Menschen im Hotel

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

In manchem deutschen Bücherschrank dürfte noch „Menschen im Hotel“ von Vicki Baum stehen. Der „Kolportageroman“ (Wikipedia) wurde auch verfilmt, in Schwarz-Weiß. Wir lesen weiter: „,Menschen im Hotel’ spielt fast ausschließlich in einem Berliner Luxushotel und schildert die Beziehungen der dort wohnenden Menschen zueinander.“ Die Zeit: „Die Goldenen Zwanziger Jahre.“ Die des 20. Jahrhunderts natürlich, das Buch erschien 1929. Aber jetzt haben wir wieder Zwanziger.

Zu Menschen im Hotel werden aufgrund des Hygienekonzepts auch die Profis der 36 Erst- und Zweitligaclubs im Fußball. In Hotels werden sie mehr Zeit verbringen als zu Hause. Hotel steht für die Fußballer in den nächsten Wochen nicht für Service und Annehmlichkeit, sondern für Abgeschiedenheit. Und: Wenn das Hotel zum Lebensmittelpunkt wird, bedeutet das, dass irgendwas im Leben aus der Balance geraten wird.

Im „Hotel Lux“ in Moskau waren die versammelt, die im Zweiten Weltkrieg dem Deutschen Reich den Rücken gekehrt hatten (Bully Herbig spielt eine Hauptrolle im leider gefloppten Film), das „Chelsea Hotel“ in Manhattan (besungen von Leonard Cohen) beherbergte viele bekannte Künstler – und bei denen weiß man nie, ob das pünktliche Bezahlen von Rechnungen ihnen nicht viel zu banal war. Der Kölner Tatort-Kommissar Max Ballauf ist seit über 20 Jahren so sehr beziehungsgestörter und daher einsamer Wolf, dass er sich noch nie um eine Wohnung bemüht hat, sondern dauerhaft eine Pension belegt. Und Udo Lindenberg erst: Gehört zum Hamburger „Atlantic“ wie der Concierge und das Inventar.

Nun schreibt auch der Fußball besondere Hotelgeschichten. Es werden nicht so fröhliche sein wie 2014 aus dem brasilianischen DFB-Domizil Campo Bahia mit Poollandschaft, Bar, Wohn-Gemeinschaften und gemeinschaftlicher Tafel unter Palmen. Das Aufenthaltsgefühl sollte man sich eher so Watutinki-2018-like vorstellen. Für die Spieler ärmerer Clubs aus der 2. Liga wird die kommende Zeit aber eine Verbesserung, nämlich ein Upgrade ins Einzelzimmer bringen. Im Grund ein Logieren wie die Bayern-Spieler – nur vielleicht in einem Intercity-Hotel. Vielleicht wird aber was Gutes daraus entstehen, und im Nachgang wird zu lesen sein vom „Geist des Ibis-Budget Bochum“ in Anlehnung an den „Geist von Spiez“ (1954, Hotel Belvedere).

Für viele Spieler eine neue Erfahrung, im Hotel noch mehr Zeit als sonst zu haben. Vielleicht die Gelegenheit zum Lesen. Es gibt ja Bücher über Menschen in solchen Situationen.

Guenter.Klein@ovb.net

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