Kein neues Abschiedsmotiv

von Redaktion

Beim Supercup 2013 war Javi Martinez der Held – nun sagt er leise Servus

VON HANNA RAIF

München – Irgendwo ist sie noch gespeichert, aber inzwischen muss Javi Martinez in seinem Bilder-Ordner ganz schön weit zurück scrollen, wenn er auf seinem Smartphone nach dieser Aufnahme sucht. Sie ist gut geworden, davon kann man ausgehen, wenn man die Szene nach dem Rückspiel des Champions-League-Achtelfinals Anfang August beobachtet hat. Der Spanier hatte lange auf dem Rasen der Allianz Arena posiert, den Blick ins leere Rund gerichtet, Lucas Hernandez lichtete ihn aus allen Richtungen ab. Zumindest von seiner Seite also war alles bereitet für einen Abschied aus München, sogar das Motiv zum Servus sagen. Nur in der Chefetage war man bis gestern Abend noch nicht ganz so weit.

Vollzugsmeldungen über einen Wechsel zurück zu Athletic Bilbao wurden in Spanien schon in der vergangenen Woche verbreitet. Aus München war hören, dass es bisher lediglich eine grundsätzliche Anfrage für einen Kauf gegeben haben soll. Dann aber ging es wohl doch schnell. Nach Informationen der „Bild“ soll der Transfer nun perfekt sein. Am Montag fehlte Martinez beim Lederhosen-Shooting, gestern aber trainierte er. Die Reise, die die Mannschaft heute zum Supercup nach Budapest antritt, wird er womöglich nicht mehr mitmachen. Dabei hätte sich zum Abschluss nach acht Jahren im roten Trikot mit einem Titel gegen den FC Sevilla in diesem Prestige-Wettbewerb ein schöner Kreis schließen können.

Denn 2013, als die Bayern das letzte Mal im Supercup-Finale standen – und zum ersten Mal gewannen –, war Martinez der umjubelte Held. Die Partie in Prag, eine der ersten mit Pep Guardiola an der Seitenlinie, kann man getrost als „echtes Martinez-Spiel“ bezeichnen. Sie steht zum Abschied gewissermaßen sinnbildlich. Es ist ja in den acht Jahren unter fünf Trainern nicht nur ein Mal vorgekommen, dass der Mann, der am Ende seiner Kräfte wirkte, plötzlich noch mal aufdrehte. Zum Spiel gegen den FC Chelsea, damals Europa-League-Sieger, war der Weltmeister mit Leistenproblemen angereist, Guardiola hatte ihm offiziell einen Einsatz über „fünf bis zehn Minuten zugetraut“. Am Ende blieb er nach seiner Einwechslung inklusive Verlängerung mehr als eine Stunde auf dem Platz. Und rettete sein Team in letzter Sekunde ins Elfmeterschießen.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort auftauchen, das kann Martinez ja gut. Und als in der lauen Prager Sommernacht die 121. Minute lief, stellte er das mal wieder unter Beweis. Schmerzen hatte er die ganze Zeit, das sah man ihm an, aber er gab nicht auf. Die Flanke von David Alaba kam gut, der Ball flog Martinez vor die Füße, er schob ihn ins Netz. Die Wende in der Schlussminute setzte in diesem intensiven, absolut sehenswertem Spiel die nötigen Kräfte fürs Elfmeterschießen frei. Martinez trat nicht an, er hatte schon genug geleistet. Endstand: 5:4.

„Unglaublich und unvergesslich“ nannte Martinez seinen Last-Minute-Treffer später: „Schließlich schieße ich ja nicht so viele Tore.“ Genau 13 waren es bisher für Bayern, dazu kommen neun Vorlagen. Aber Jupp Heynckes hat diesen Mann ja auch einst nicht nach München gelotst, um das Offensivspiel zu beleben. Martinez gab lange Jahre den perfekten Abräumer, setzte Maßstäbe auf der Sechs, als Kämpfer und Beißer. Die Aussage von Karl-Heinz Rummenigge („wird schwieriger für ihn“) überraschte auch ihn zuletzt nicht. Joshua Kimmich und Leon Goretzka stehen nun für einen anderen Stil im defensiven Mittelfeld.

16 Mal kam er in der vergangenen Liga-Saison zum Einsatz, beim Auftakt zur neuen Spielzeit beobachtet er von der Bank aus, wie Hansi Flick Jugendspieler einwechselte. Auch die Spiele auf dem Weg zum Champions-League-Titel verfolgte er als Statist. Diese Rolle will und muss Martinez sich nicht mehr antun. Bilbao ruft, die alte Heimat. Da ist es zu verkraften, dass es mit einem neuen Abschiedsbild – samt Supercup – vielleicht nicht klappt.

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