Frankfurt – Kein verbürgter Starttermin für die Deutsche Eishockey-Liga (DEL), noch immer nicht. Über die komplizierte Situation sprachen wir mit Geschäftsführer Gernot Tripcke und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Arnold (Ingolstadt) nach der über siebenstündigen Zusammenkunft mit den 14 Clubs.
War das ein guter oder ein schlechter Tag für die Liga?
Gernot Tripcke: Weder noch. Es war aber ein wichtiger Tag. Weil wir Kassensturz gemacht, die Clubs ihre Ängste und Nöte offenbart haben, und wir nun wissen, welche Schritte notwendig sind, um ernsthaft in die Saison starten zu können.
Jürgen Arnold: Jeder hat gesagt, wo der Schuh drückt. Wir haben neu kalkuliert und festgestellt, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt die Spieltagserlöse nicht seriös genug planen können und uns für einen seriösen Saisonstart 60 Millionen Euro fehlen, die wir ohne fremde Hilfe nicht beizubringen in der Lage sind.
Wollen alle 14 Clubs denn spielen?
Arnold: Jeder hat geäußert, dass er spielen will. Daran gibt es nichts zu rütteln. Es geht auch nicht nur um die Clubs, sondern auch um die Liga, die Nationalmannschaft, die Jugend, die Fans – die wollen wir nicht enttäuschen.
Tripcke: Alle wollen spielen, das ist die Priorität. Alle planen dafür und scharren mit den Hufen.
Aber?
Tripcke: Die wirtschaftlichen Zwänge sind extrem, die Spieltagseinnahmen machen bis zu 80 Prozent bei den Clubs aus. Mit den Rahmenbedingungen – unsicheres Konjunkturpaket, eine wackelige Zuschauerregelung von momentan 20 Prozent, die aber jeden Tag gekippt werden kann – ist die Planbarkeit kaum da. Es ist für einen ordentlichen Kaufmann nicht zumutbar, blindlings ins Verderben zu laufen.
In ihrem Konjunkturpaket hat die Bundesregierung angekündigt, bis zu 80 Prozent der entgangenen und entgehenden Zuschauereinnahmen auszugleichen.
Tripcke: Die 80 Prozent beziehen sich auf einen Deckel von einer Million, bei uns in der DEL haben Vereine sechs bis acht Millionen Zuschauereinnahmen, und da werden aus den 80 Prozent zehn bis 15 Prozent. Die DEL hat viele Zuschauer, das ist grundsätzlich ein Segen. Aber es ist ein Fluch, wenn wir zweieinhalb Millionen Leute nicht reinlassen dürfen. Das holt uns dann ein.
Was braucht die DEL konkret?
Arnold: Um am 13. November starten zu können, benötigen wir bis 2. Oktober Aussagen und Hilfen von Dritten.
Intern, extern?
Arnold: Sicher ist es so, dass wir mit den internen Planern sprechen, das sind möglicherweise die Spieler, die Gesellschafter der Clubs. Im Grunde werden alle, die beteiligt sind, in die Bütt gehen müssen.
Tripcke: Die Vereine müssen intern versuchen, was abzuzwacken von diesem Berg an Kosten, der vor uns liegt.
Arnold: Eine Zusage, dass sicher mehr Zuschauer als 20 Prozent reindürfen im November, würde unsere Spieltagserlöse verbessern, das ist logisch. Planen können wir aber nur auf Basis der aktuellen Situation, und selbst die ist sehr fragil. 20 Prozent können schnell null werden, wie man am Fußball in München gesehen hat.
Wer sind die Ansprechpartner?
Arnold: Auf Bundesebene das Innenministerium, auf Landesebene die Ministerpräsidenten, die Konferenz der Staatskanzleien. Wir werden alle Kanäle nutzen, die wir haben. Der Dialog mit der Politik war bisher konstruktiv. Wir wollen mit ihr nach Lösungen suchen.
Lösungen könnten sein …
Arnold: Zuschüsse.
Tripcke: Die avisierten Sachen müssen festgezurrt werden, das Konjunkturpaket muss kommen und auch eine Perspektive für 2021 kriegen. Wir brauchen viel Hilfe, auch fremde Hilfe. Aus eigener Kraft werden wir dieses Delta nicht schließen können.
Sitzen die Spieler eigentlich nun mit am Tisch – oder obliegen die Entscheidungen ausschließlich den Gesellschaftern?
Tripcke: Es ist eine reine Gesellschaftersache, aber die Spieler sind informiert, wir haben mit Alex Sulzer von der neuen Spielervereinigung Eishockey diese Woche mehrfach Kontakt gehabt. Die Spieler können ein Baustein sein, um über diese unsichere Zeit hinwegzukommen.
Was passiert, wenn die DEL keinen Weg findet, zu spielen? Erhalten die Spieler dann eine Freigabe von Amts wegen?
Tripcke: Von Amts wegen nicht. Clubs und Spieler haben Vertragsbeziehungen, und da muss jeder Verein selbst entscheiden, ob er die Freigabe erteilt, wenn ein Spieler sich verändern möchte. Eine Entscheidung der Liga gibt es nicht.
Die DEL hat einen neuen Namensponsor, die Supermarktkette Penny. Die DEL hat einen Medienpartner, die Deutsche Telekom. Die machen dpch sicher Druck.
Tripcke: Penny will, dass die DEL sichtbar wird, für MagentaSport ist die DEL das zentrale Asset. Die machen sich auch Sorgen, aber keinen Druck. Sie können unsere Argumente nachvollziehen.
Was trotz all Ihrer Erklärungen verwundert: Nur die DEL tut sich schwer, in Gang zu kommen. In den anderen europäischen Ländern fängt die Saison absehbar an oder läuft bereits, auch DEL2 und Oberliga haben den 6. November als Starttermin bestätigt. Warum sind die alle weiter?
Tripcke: Die Situation der DEL2 ist eine andere: Die kommen teilweise mit tausend Zuschauern und Fördermitteln eher hin und können das Risiko eingehen. Andere Ligen haben weniger Zuschauer als wir, finanzieren sich aber über Medienrechte, in Skandinavien etwa. Die Schweizer dürfen 66 Prozent der Sitzplätze nutzen und haben einen Fernsehvertrag, der 30 bis 40 Prozent des Etats deckt. Über die Hälfte unseres Etats steht in den Sternen.
Eigentlich soll es 2021 zwischen DEL und DEL2 Ab- und Aufstieg geben. Bleibt es dabei?
Arnold: Über Auf- und Abstieg wurde gesprochen, auch schon konstruktiv zwischen den Aufsichtsräten der beiden Ligen. Es ist aber nichts beschlossen. Meine Meinung: Das Aussetzen der Abstiegsmöglichkeit würde für die Clubs sicher Sinn machen.
Tripcke: Wir haben ein klares Verhandlungsmandat und hoffen, dass wir das bald klären können.
Was ist das nächste Etappenziel der DEL?
Arnold: Wir werden am 2. Oktober bewerten, wie die Lage ist. Wenn wir die 60 Millionen nicht abdecken können, ist es nicht seriös, am 13. November die Saison zu starten.
Und dann?
Arnold: Es gibt mehrere Pläne in der Schublade, aber wir wollen am 13. November festhalten. Das ist oberste Priorität. Solange wir dafür kämpfen können, werden wir es tun.
Interview: Günter Klein